Samstag, 26. Juli 2008

Im Brockenhaus, von Meersburg via Konstanz nach Märstetten (Mi, 23.7)

Grizi Miteinander! Vielen Dank für Eure Geburtstagswünsche. Es tut gut zu wissen, dass da draussen in der Ferne Leute sind, die in Gedanken mitwandern. Mittlerweile bin ich seit 4 Tagen in der Schwiiz unterwegs. Ach, die Schweiz, sehr schön. Im Südosten die teils vergletscherten Aplpengipfel, saftige Wiesen mit Kühen drauf, Kuhglockengebimmel allenthalben, alle Nase lang Dorfbrunnen oder Brunnen mitten in der Pampa, aus denen trinkbares, köstliches Bergwasser fliesst (heute kein sz, das fehlt auf Schweizer Tastaturen!). Sehr pilgerfreundlich. An einem Holzhaus lädt die Tafel "Zum dä Durst löschen" ein, darunter der Wasserhahn. Wenig später steht eine Steige Kornäpfel am Strassenrand: "Gratis Äpfel", da freut sich der Pilger (nix mehr mit verdursten auf hoher See und so, Ihr erinnert Euch?). Allein, es fehlt an Internetcafes. Daher melde ich mich etwas verspätet. Gestern bin ich in Rapperswil am Zürichsee im Kanton St. Gallen angekommen. Konton Thurgau und Züricher Oberland liegen schon hinter mir. Feste bergauf, bergab, das macht schlapp. Zurzeit stehe ich in der Touristeninfo in Einsiedeln (3,5 Stunden und 500 Höhenmeter habe ich heute schon absolviert). Habe soeben die Klosterkirche besichtigt. Barock, sehr beeindruckend. Wunderschöne Deckenfresken, viel Gold und - oben in der Kuppel leuchtet ein satt orangenes Licht, die Orgelpfeifen erklingen. Habe geweint.
Doch alles der Reihe nach - zurück zum Mittwoch.
Sonne bereits am Morgen, endlich! Nehme mein Frühstück im Salon der Pension Rothmund in Meersburg ein.


Frau Mayer, die Eigentümerin, und ihre Mitarbeiterin machen das sehr liebevoll. Es gibt reichlich, um das Wohl des Gastes ist man sehr besorgt. Welch ein Glück, dass ich hier Quartier beziehn konnte. Die jetzt um 8.00 Uhr noch tief stehende Sonne scheint in mein Frühstücksgesicht und steigert meine Vorfreude auf den Tag. Heute geht's nach Konstanz, heute geht's in die Schweiz. Zuvor, Stadtrundgang Meersburg, "Ballastabwurf", mit dem Personenschiff nach Konstanz. Das Schiff ist gut beladen und wird von Möwen begleitet. Auf dem Bodensee eine Armada von Segelschiffen. In der Hafeneinfahrt von Konstanz grüsst die "Imperia" von Peter Lenk (Ihr erinnert Euch, der Esel mit dem Schatten in Biberach war auch von dem Nürnberger Künstler).


Die überlebensgrosse Figur hält eine Waage in der Hand, in der linken Schale der Papst, in der rechten der Kaiser. Eine Anspielung auf die vielen Huren, die während des Konstanzer Konzils in der Stadt verweilten. - Nach der Ankunft, Bloggen, Stadtrundgang (schöne Altstadt, markantes Münster, viel Fachwerk, Pulverturm und Rheintorturm an der Mündung des Rheins in den Bodensee. Ich bin überrascht, wie breit der Rhein hier schon ist. Elizabeth und Klaus, die, die nach Rom wollen, begegnen mir wieder. Kurzer, sehr herzlicher Plausch, und Tschüss. Dann straight forward vom Münster die Wesselbergstr. entlang durch die Fussgängerzone in Richtung Schnetztor und Hushaus, dem Geburtshaus des tschechischen Reformators Jan Hus, den man bekanntermassen seiner progressiven Ideen wegen einen Kopf kürzer gemacht hat. Ham's nicht immer leicht, die Tschechen. Bevor ich das Hushaus erreiche fängt mich jedoch ein türkisches Haus ab - ein Schnellrestaurant. Der dem Lokal entströmende Pizzaduft hat mich kleben lassen. Leckere Thunfischpizza und Coke - ausnahmsweise. Mir gegenüber sitzen Sabine und Sohn Lorenz. Wir kommen ins Gespräch.


Lorenz hat heute sein Zeugnis bekommen und offensichtlich haben weder er noch seine Mama Grund zur Klage. Lorenz' Lieblingsfächer sind Erdkunde und Sport, womit wir auch schon bei der EM und dem Marathon wären. Sabine interessiert sich für den Pilgeralltag, ich stehe gerne Rede und Antwort. Die beiden wirken auf mich wie ein traumhaftes, sehr harmonisches Mutter-Sohn-Paar. Gerne hätte ich mich länger mit ihnen unterhalten, doch sowohl sie, als auch ich müssen weiter. Beim Abschied empfiehlt mir Sabine die Besichtigung des Lenk-Brunnens. "Ach ja, stimmt, davon habe ich gelesen. Der wäre mir glatt durch die Lappen gegangen", entfährt es mir.
Der Lenk-Brunnen. Feist-fette, geile, laszive Figuren, Affen und Hunde mit Menschengesichtern treiben ihr Wasserspiel, dabei beobachtet von über ihnen schwebenden Figuren, die ein Steuer in Händen halten, den Fuss am Gaspedal. Hm. Die Botschaft ist mir nicht ganz klar. Recherche tut Not.


Vom Lenkbrunnen aus dann aber schleunigst in die Schweiz. Es ist bereits halb Sechs! Wie befürchtet irre ich in Kreuzingen, der nahtlos an Konstanz angrenzenden schweizer Nachbarstadt, umher, doch bald habe ich verstanden: immer einfach dem Schild mit der Aufschrift "Schwabenweg" nach, so heisst der Jakobsweg hier im Kanton Thurgau. Allzuweit komme ich nicht. Es ist etwa halbneun, als ich an einem sehr idyllisch gelegenen Bauernhof vorbeikomme. Hier wohnen u.a. 3 Esel, die mich neugierig beäugen. Nach dem Schatten des Esels jetzt also die Heilige Dreieinigkeit, Mutter Esel, Tochter Eselin und der Heilige Geist Esel ... Jetzt gehen aber die Gäule, ähm Esel, mit mir durch. Sei's drum, ich lichte die Heilige Dreieinigkeit ab und ziehe weiter.


Als ich etwa 500 Meter weiter einem dringenden Bedürfnis nachgehe, bedenke ich die Sache noch einmal - und kehre um. Erstens kann ich mich nicht des Charms der zum Anwesen gehörenden Bar "Santiago de Compostela" entziehen und zweitens wird eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten. So kommt's also, dass ich Roli kennenlerne. Ihm, bzw. wie er sagt den Banken, gehört das Anwesen. Er lebt hier und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Büchern und von ihm aufgemöbelten Fahrrädern. Daher also die vielen Fahrräder, die am Zaun lehnen. Und ich dachte zuerst, hier lebt eine Grossfamilie. Sein Geschäft betreibt Roli v.a. im Internet.
Roli lädt mich auf Bier in der Bar "Santiago" ein und reichert mein Vesperbrot mit Cocktailtomaten (Eigenanbau) und gekochtem Ei (Hühnereigenzucht) an. Wir sitzen nebeneinander auf dem Sofa der Bar und schauen der Sonne beim Abtauchen zu, während wir über das Wesen der Pilgerschaft, die Hektik in den Städten und seinen Internetshop brocky.ch (unbedingt anschauen, ist sehr liebevoll gestaltet!) philophieren. Als es dunkel ist rolle ich mich in den Schlafsack und Roli zieht sich in sein Haus zurück.

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