Mittwoch, 23. Juli 2008

Ravensburger Puzzlespiele, von Weingarten nach Zillisbach (Mo, 21.7)

Unruhige Nacht im Rössel. Keine Ahnung warum. Wahrscheinlich war das Abendessen einfach zu gut. Bin ich nicht mehr gewohnt. Tagsüber gibt's für den Pilger normalerweise Käsebrötchen bzw. Käseseelen (wie man hier die länglichen, baguetteartigen Brötchen nennt) und zwischendurch mal was Süßes. Frühstück im heimeligen (weil mit allerlei Antiquitäten geschmückten) Biergarten des Rössels, Abschied mit Foto vom Personal, kleiner Stadtrundgang und weiter geht's.


Von Weingarten nach Ravensburg. Am Ortsausgang von Weingarten komme ich an einem Feld mit Tafel vorbei, auf der steht: "Bioland, wir arbeiten ohne Gentechnik". Das erinnert mich an den Zeitungsartikel, den ich während des Frühstücks gelesen habe. Ein Interview mit Christiane Nüsslein-Volhard (Bioglogin(?) am Max-Planck-Institut Tübingen). Zur Frage nach ihrer Hoffnung für die nahe Zukunft sagt sie: "[Ich glaube, ]dass die grüne Gentechnik einen Fortschritt und eine Chance für Welternährung und Umweltschutz bedeutet - und nicht einen Irrweg. Für den Einsatz der Gentechnik in der Biomedizin, die sogenannte rote Gentechnik, hat sich diese Erkenntnis ja bereits durchgesetzt. Bei der Gentechnik auf dem Acker müssen wir endlich die ideologischen Hürden überwinden." Ich frage mich, wo hört Überzeugung auf, wo fängt Ideologie an.
Die Strecke nach Ravensburg führt auf großem Umweg durch den Wald, was mich ein wenig ärgert, weil mir nicht klar ist, warum. Kann doch nicht sein, dass die Pilger seinerzeit freiwillig lieber mehr Kilometer zurücklegten. Oder doch? Zu allem Überfluss verlaufe ich mich auch noch im Wald. Sei's drum. Als mir endlich Ravensburg zu Füßen liegt, lege ich eine Rast auf einem Parkbänkle ein (mein Schwäbisch macht Fortschritte) - es folgen Vesper und Schuhputz. Nach gut 350 km sollten die Schuhe auch mal wieder ihr Fett abbekommen.
Ravensburg, wie das klingt. Ravensburg, die Stadt meiner Kindheit, Ravensburger Puzzles. Über 40 Jahre sollten vergehen, bis ich hier herkommen sollte. Und dann dies.
Erstens, als ich mittags eintreffe ist es zu spät. Heerscharen von Menschen kommen mir entgegen. Der Festumzug, Höhepunkt des sogenannten Rutenfests, ist soeben zuende gegangen. Erster Impuls Ärger, doch dann die Frage, weshalb? Zuhause schaust Du Dir die Festumzüge ja auch nicht an. Was wiederum zur Frage führt, sollte ich solchen Veranstaltungen in meiner Heimat vielleicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen? Und "Heimat", auch so ein Begriff, der mir im Kontext Rutenfest zugeflogen kam. Über was man so alles nachdenkt auf der Pilgerschaft.
Und zweitens. Als ich durchs Frauentor in die Altstadt eintrete, setzt Regen ein, der sich hartnäckig hält. Es kühlt deutlich ab. Ja Uwe, in diesem Moment bin ich ob des Regens ziemlich frustriert. Wollte mir eigentlich in Ruhe die Stadt anschauen, statt dessen schlage ich mich von überdachtem Ladeneingang zum nächsten durch. Allerdings nicht allzu lange. Obwohl viele Menschen unterwegs sind und die Bierbänke auf dem Marktplatz gut belegt sind, wirkt sie trostlos. Wegen des Rutenfestes ist der heutige Montag nämlich Feiertag.



Ich ziehe mich in ein kultiges Cafe zurück, wo mir freundlicherweise die Freundin des Kneipiers ihr Apple-Notebook überlässt, so dass ich Euch was schreiben kann - und zwar so lange, bis der Akku den Geist aufgibt. Später mache ich dann im Internetcafe weiter.
Am späten Nachmittag ist's dann wieder sonnig und ich kann doch noch Fachwerk, Türme und Kirchen schauen ("Ravensburg, Zentrum Oberschwabens, Stadt der Türme" heisst es in einem dieser Infoblättle für Touris - Sachen liest man da, ich kann Euch sagen, ich meine nicht nur hier, da werden Superlative verwendet, faszinierend, ist eine eigene Sprache, dieses "Tourismusflyerdeutsch").


Gegen Fünf (viel zu spät mal wieder) breche ich auf. Schaffe es bis Zillisbach bei Brochenzell/Meckenbeuren.


Es ist schon finster, als ich unter einer von 6 mächtigen Pappeln meinen Schlafsack ausrolle.


Sehr mutig, denn es tröpfelt, bin Optimist. Es nieselt nachts dann in der Tat immer wieder, aber die Baumkrone meiner Pappel bietet ausreichend Schutz. Ich schlafe sehr gut.

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