Montag, 21. Juli 2008

Blutritt, von Winterstettenstadt nach Weingarten (So 20.7.)

Von Winterstettenstadt über Bad Waldsee nach Weingarten. Das Allgäu grüßt. Die Wiesen werden saftiger, die Hügel sanfter. Pilgern heißt auch, mit allen Sinnen wahrnehmen. Du spürst den Wind und die Füße, Du schaust Landschaften, Orte und Menschen, Du hörst Vögel, den Regen und die akustischen Ausdünstungen der Zivilisation und Du riechst die drei olfaktorischen K: Küchen-, Kirchen- und Kuhstallaromen. Eine mehrdimensionale Angelegenheit.
Am Ortsrand von Bad Waldsee begegne ich Roland und Rocky. Roland, ein netter Zeitgenosse, der gern zum Campen an den Plattensee fährt, Rocky, ein 8 Wochen alter Dobermann, der ganze Stolz seines Herrchens. Roland ist sehr interessiert an dem Drumherum der Pilgerschaft und wünscht mir alles erdenklich Gute auf meinem Weg. Sollte ich mal wieder vorbei kommen, dann lädt er mich gerne auf 'nen Kaffee oder ein Weizen ein. Ist gemerkt!

Manchmal könnte man schon glauben, dass da jemand ist, der aufpasst. Am späteren Nachmittag, auf der Strecke von Bad Waldsee nach Weingarten, erwischt mich ein Wolkenbruch genau, aber wirklich genau zu dem Zeitpunkt, als ich an der Sprengstein-Hütte vorbeikomme. Kilometer vorher, Kilometer nachher absolut keine Möglichkeit sich unterzustellen, und genau dann ... Schon irre! Etwa eine Stunde später, beim nächsten Wolkenbruch, passt allerdings keiner mehr auf. Da erwischt's mich mitten in der Prärie. In gewisser Weise auch beruhigend ... GoreTex-Jacke übergestreift und weiter geht's. Kurz vor Weingarten vollführt der Himmel ein fantastisches Schauspiel. Nach Osten hin drohen gewaltig bauchige, pechschwarze, tiefhängende Wolken Feuchte von oben an, nach Westen hin ist es klar, der Himmel satt blau. Hier kommt die Sonne durch und tränkt das Grün der Wiesen und das fahle Beige der Kornfelder in ein sattes Orange. Farbenkontraste, die wundervoll anzusehen sind. Ich erfreue mich daran, dass der Zufall(?) mich zu diesem Zeitpunkt an diesen Ort geführt hat, wo ich dieses Naturschauspiel erleben kann.

In Weingarten führt der Jakobsweg direkt an dem Wahrzeichen der Stadt, der Basilika St. Martin vorbei. Die größte Barockkirche Deutschlands. An der Kirche treffe ich eine Gruppe von vier Jakobspilgern. Allmählich werden es mehr.
Im "Rössle" steige ich in einem einfachen Zimmer ab. Dusche und Massage für die Füße. Anschließend tragen mich die müden Füße gerade noch bis nach unten in die Wirtsstube. Die Empfehlung der Küche lautet heute: Lachssteak in Senf-Dillsoße. Na, das nehmen wir doch. Eine gute Entscheidung. Der Fisch schmeckt hervorragend. Ich bin begeistert, vom Essen, von der Atmosphäre in dem Gasthaus, von der netten Kellnerin, von allem. Ein krönender Abschluss dieses wegen der wiederholten Regengüsse recht anstrengenden Tages. Gegen Neun leert sich die Gaststube. Ein Endsechziger, Hr. Rief, fragt, ob sich an meinen Tisch setzen darf. Er habe gehört, ich sei von Winterstettenstadt her gekommen, und da sei er neugierig geworden, weil er den Ort sehr gut kenne. Bitte schön. Wir kommen ins Plaudern. Er sei Rentner, früher habe er Holz verkauft. Heute sei er als Kirchenvorstand in vielen Projekten ehrenamtlich engagiert. Mit jungen Menschen zu arbeiten, mache ihm sehr viel Freude. Es sei toll, wie die Jugend "schaffet" und mit Begeisterung und Fleiß bei der Sache sei. Ja, Hr. Rief, ist einer vom alten Schlag. V.a. aber sei er Quartiermeister, eine Aufgabe, die ihn verantwortlich mache für die Unterbringung von - und jetzt aufgemerkt - sage und schreibe 2900 Pferden. So viele sind es in etwa, die alljährlich, während des sogenannten Blutritts in einer Parade durch die Stadt reiten. Von überall her kommen die Vierbeiner dann. Er sei das ganze Jahr damit bschäftigt, Ställe zu finden, in denen er die Pferde unterbringen kann. Mit viel Stolz erzählt Kurt Rief all das und dann ergänzt er, nachdem ein letztes Seidla bei Maria geordert ist, dass er beim Blutritt auch mitreite, in Weingarten, in Mantua und noch andernorts. Es sei ein unvergessliches Gefühl, wenn er auf dem Pferd sitze, die Standarte fest in der Hand, und vor ihm stehe der Bischof. Ich denke mir, egal, was man macht, wenn man nur mit Herzblut dabei ist, dann ist es gut. Apropos Blut, den Blutritt gibt es wohl noch in anderen Städten, aber der Weingartner sei nach Rief der größte nördlich der Alpen. Man stößt auf viele Superlative, wenn man unterwegs ist, auch hier im Schwäble Ländle.

1 Kommentar:

Uwe W. hat gesagt…

Mensch Peter,
wie geht es Dir mit dieser dauernden Nässe? Find ich ja schon ätzend, ohne zu wandern.... :-)
Nicht unbedingt das vermutlich von Dir erwartete Sommer-Juli-Wetter. Aber vielleicht wird`s ja im weiteren Lauf Deiner Reise noch so heiss, dass Du Dich dann zwischendurch nach einem solchen Tag, wie er heute wieder war, sehnst.
Ich werde dir demnächst mal ne mail schreiben...hatten ja am letzten WE Supervision bei Ingrid.
Mach`s weiterhin gut - trotz Regen. Aber zum WE soll es sehr sehr schön werden.
Herzlichen Gruß
Uwe