In Marias Kapelle habe ich sehr gut geschlafen. Gegen sieben krieche ich aus dem Schlafsack. Ein erster Blick nach draußen verrät, auch heute wird es regnen. Dunkle Wolken hängen tief am Himmel. Gegen acht breche ich auf.
An einem Wegkreuz lese ich "Zwei Dinge bedenke: Woher, wohin, dann hat das Leben den richtigen Sinn." - Na ja, können wir ja mal mitnehmen. Mal sehen, was der Tag daraus macht.
Oberdischingen ist einer der Orte, der mir in Erinnerung bleiben wird.
Weil es dort die Bäckerei Ott gibt (leckeres Frühstück und Pläuschchen mit Fr. Ott?), weil im Ortszentrum eine Häuserzeile an den französisch-barocken Mansard-Stil erinnert (steht so im Wanderführer), eine Art Schlossplatz, der mir hier völlig unerwartet begegnet, weil an den Geschäftshäusern keine Reklametafeln befestigt sind (das erinnert mich an Weimar), statt dessen die Häuserfassaden Aufschriften wie "Bäckerei Ott" tragen, weil als ich an der Kirche vorbei komme sternförmig von allen Seiten her Menschen in Schwarz zur Pfarrkirche strömen, um eine Verstorbene zu verabschieden, weil der Jakobsweg an dieser Kirche zweimal vorbeiführt. Auf die Frage des "wohin" will womöglich der Trauergottesdienst eine Antwort geben ...
In Untersulmetingen (welch ein Ortsname!) spricht mich Hannes vom Fahrrad aus an (Hannes, sei herzlich gegrüßt!). Ob ich denn auf dem Jakobsweg unterwegs sei. Er habe vor zwei Wochen den "Camino Francés" abgeschlossen.
Ein fantastisches Erlebnis sei es gewesen. Er schwärmt und ich habe das Gefühl, er würde am liebsten gleich wieder loswandern. Hannes berichtet mit so viel Verve, dass ihm die Jacke aus dem Rucksack fällt. Er habe unendlich viele Menschen getroffen, zuhause türmten sich E-Mail Adressen von Menschen aus der ganzen Welt. Zweifelsohne, er macht mir den Mund wässrig. Ich freue mich auf Spanien!
Von Untersulmetingen geht es - wie sollte es auch anders sein - nach Obersulmetingen. Am Ortsrand des erstgenannten springt mir ein Straßenschild mit der Bezeichnung "Müssenweg" ins Auge (wirklich!).
Ist die Doppeldeutigkeit nicht herrlich? Ich schmunzle vor mich hin. Auf diesem Weg hat man also gemusst, nur was? Und, bei anderer Interpretation, wer muss weg, und wohin? Woher, wohin ... Ein Tag voller Zeichen - mit der Interpretation werde ich wohl noch eine zeitlang zu tun haben.
Nach kurzem, aber steilem Anstieg erreicht man im Anschluss an die beiden "Sulmetingen" Schemmerberg mit der weit ins Land blickenden Kirche St. Martin mit Walmdachturm. Es scheint, dass ich die Region der Zwiebeltürme allmählich hinter mir lasse.
Hier, auf einem eigens für Jakobspilger schön eingerichteten Rastplatz, begegne ich Elizabeth und Klaus, ein absolut rüstiges Rentnerehepaar aus Dortmund.
Langstreckenpilger. Sie sind von Lohr am Main nach Rom unterwegs, wobei sie die italienische Hauptstadt diesmal noch nicht erreichen werden. Ende August ist bei den beiden erst mal Schluss mit der Etappe. Den "Camino Francés" haben die beiden schon vor drei Jahren gemacht. Sie könnten stundenlang von ihren Erlebnissen berichten. Eines haben die wenigen Episoden, die ich erfahre, gemein: Begeisterung! Da ist sie wieder, die Vorfreude auf Spanien.
Kuriosum in Laupersthausen. Wegen Renovierungsarbeiten in der Kirche gibt's den Stempel für Jakobspiler in der Kreissparkasse, die, heute am Freitag, um 17.00 Uhr noch geöffnet hat. Ich bin überrascht. Abgesehen vom Stempel schenkt mir dieser Umstand ein sehr nettes und informatives Gespräch mit der Filialleiterin, auf deren Empfehlung hin ich heute nicht bis nach Biberach weitergehe (Schützenfest bzw. "Schütze", Stadt steht Kopf, s.o.), sondern nur bis zum Vorort Mettenberg, wo ich im Gasthaus Adler ein Zimmer beziehe.
Ach wie goldig. Diese Kneipe erinnert mich an den Wiethaler in Güntersbühl. Hier ist die Zeit vor etwa 30 Jahren stehn geblieben. Mutter (77) und Sohn (Mitte bis Ende Vierzig) schmeißen den Laden, der, zumindest heute (vermutlich schützenfest bedingt) nur mäßig besucht ist. Ich geselle mich am einzigen Tisch des "Biergartens" einer Runde schwäbelnder Herren hinzu. Nicht ganz einfach, dem Gespräch zu folgen. Es geht ums Schützenfest, um die Firma Liebherr, die hier in der Region einer der bedeutendsten Arbeitgeber ist (Kühlschränke und Kräne), und die Pilgerei. Ein schönes Gefühl in dieser Runde zu sitzen, auch wenn ich nur die Hälfte verstehe. Mein Tischnachbar taut nach einer Weile auf, will wissen: bis wohin, woher die Zeit, warum, etc. Ich lasse ihn ein stückweit eintauchen in meine Pilgerschaft.
Meine Wirtsleute sind herzensgute Menschen. Das ist mir schon beim ersten Kontakt mit dem Sohn klar geworden. Mit seiner ruhigen Art strahlt er aus: hier bis du richtig, hier ist nichts ein Problem. Er war es, der das Bett in meinem Zimmer überzogen hat, er war es, der die leckere Käseplatte zubereitet hat. Als ich nach dem Essen zahle, erzählt mir seine Mutter, dass einer ihrer drei Söhne vor einem Vierteljahr an Darmkrebs verstorben sei. Mit diesem betrüblichen Wissen und der Frage "weshalb" (!) steige ich die Treppe in den ersten Stock hinauf, wo mein Zimmer liegt. - Euch einen schönen Samstag. To be continued Peter
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3 Kommentare:
Tja, da ist er wieder, der camino-Virus! die Begeisterung der Santiago-Pilger! Muß ich schmunzeln! Lieber Peter, der camino fängt nicht erst in Saint-Jean-Pied-de-Port/Pyrenäen an oder in Roncesvalles in Spanien! :-)
Aber was es sicherlich abrundet oder vollendet (oder ist s dann ab da ein Neubeginn?) ist das Ankommen in Santiago.. unbeschreiblich! Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und gutes Vorankommen!
Buen camino
Thea
Hallo,
so eben haben mich meine Eltern (Klaus und Elisabeth aus Dortmund) angerufen und gebeten mal im Internet nach Deinem/Ihrem Beitrag zu suchen.- Und siehe da, drei Klicks und schon habe ich den Blog gefunden.
Sie haben sich heute aus Konstanz gemeldet. Werden dort noch zwei Nächte bleiben und dann weiterpilgern.
Liebe Grüße
Die jüngste Tochter
Hallo Peter,
habe mich sehr über unser Treffen in Untersulmetingen gefreut und verfolge Deinen Weg mit großer Freude.
Habe mich jetzt angemeldet und kann Dir somit von Zeit zu Zeit eine Nachricht senden.
Viele Grüße und buen camino
Hannes
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