Freitag, 3. Oktober 2008

Der Wiedergänger, Von Molinaseca nach Villafranca del Bierzo (Sa 27.9)

Hi Thea, Hi Uwe, Hi Folks. Ja, ich war heute in der Pilgermesse, und es war in der Tat sehr schön. Eine Nonne hat quasi als Vorsängerin fungiert. Wunderschöne Stimme und dazu die Orgel, die Kathedrale voller Menschen, eine Menge Pilger, einige Weggefährten darunter. Ja, ein toller Moment. Allmählich setzt die Erinnerung an das Erlebte ein. Mein Gott, manches ist schon so lange her. Unfassbar. - Morgen geht's weiter nach Finisterre. Die letzten knapp 100 km und dann ist erst mal Schluss mit Wandern. Jo! Natürlich soll mir gegen Ende die Puste nicht ausgehen und so will ich versuchen, Euch auch noch die letzten Tage vor Santiago (und die, die noch kommen werden) zu erzählen. - Also fast eine Woche zurück nach Molinaseca.

Die ersten Kilometer führen mich heute Morgen bei Eiseskälte (um die 5 Grad) nach Ponferrada. Morgennebel hüllt die Landschaft ein, Maggiduft schwappt in meine Nase. Kaum habe ich den Ort verlassen, überhole ich eine seltsame Gestalt, einen Pilger im "klassischen" Outfit. Mönchskutte, Sandalen, keine Socken (der Arme muss doch frieren!), Pilgerhut, Pilgerstock mit Kalabasse. Später wird mir Martin erzählen, dass dieser Pilger sich jedes Jahr am 4. September auf den Weg nach Santiago macht. Das tut er seit 18 Jahren, aus Dankbarkeit für den überwundenen Kehlkopfkrebs. - Als ich Ponferrada erreiche ist die Sonne da. Am Ortseingang spricht mich der hohe Jens aus dem hohen Norden an. Mir war schon zuvor aufgefallen, dass er Probleme mit dem Gehen hat. Ob ich wüsste, wo das Krankenhaus ist? Hombre, no soy de aqui ...
Spässle - ich spreche ein spanisches Paar an, das gerade im Begriff ist, den Landrover zu besteigen. Pues ... es folgen viele Worte, viele Kreisverkehre (so viele, dass sie durchnummeriert werden), Puh. Mit dieser Info macht sich Jens auf den Weg. Besonders glücklich wirkt er nicht. Sein Camino habe so gut angefangen, doch dann habe er sich mit der gestrigen Etappe übernommen. Wird wohl ein Stück mit dem Bus fahren müssen.
Sie häufen sich, die Gesandten aus dem Alltag: die Damen aus Niederbayern, die Studenten aus Berlin, Jens aus Norddeutschland. Sie alle bringen irgendwie ein Stück Alltag mit. Es ist fast so, als sollte ich allmählich an das normale Leben erinnert werden. Allein, normales Leben, was heisst das schon?
Gut drei Stunden halte ich mich in Ponferrada auf. Besichtige die wirklich sehenswerte Templerburg, die sehr schön auf einer Anhöhe am Rio Sil liegt.


Ihre Ursprünge gehen auf das 12./13. Jh. zurück. Von der Burg aus haben die Tempelritter Pilger und Brücke über den Sil gesichert. 1308 haben sich die Templer dann verzogen. In den folgenden Jahrhunderten erlebte das "Anwesen" etliche Besitzerwechsel, An- und Umbauten. Das Wahrzeichen der Stadt. Im Anschluss an die Burgbesichtigung noch ein kleiner Rundgang durch die Stadt. In einem Cafe an der Plaza treffe ich nochmals Jan, mit ihm am Tisch Carolina aus Quito/Ecuador. Nun scheint es ihm schon viel besser zu gehen ;-)


Auf der Plaza fällt mir ein Denkmal auf, das einen Ehrenbürger der Stadt darstellt. Neben ihm eine Art Gasflasche. Hm. Lasse mir von zwei Passantinnen erklären (Maria und Angela), was es mit dem Herren auf Sicht hat.


In früheren Zeiten wurde auf der Plaza Eis verkauft (oder etwas Ähnliches, so ganz habe ich es ehrlich gesagt nicht verstanden) - der Herr war einer der bekanntesten dieser Verkäufer und steht stellvertretend für diese Epoche. Der Mann hat jedenfalls eine sehr angenehme, sympathische Ausstrahlung.

Weiter geht's nach Cacabelos.



so wird's gemacht:
"con pan y vino se anda el camino" (mit Brot und Wein geht man den Weg)

Auf dem letzten Kilometer treffe ich wieder die Clique um den Charangospieler Yayo aus Teneriffa. Wirken ganz schön geschafft die Jungs.


Während die drei die Kurve ins Albergue nehmen, marschiere ich weiter. Zum Abschied die seit ein paar Tagen obligatorische Frage: "Wann werdet Ihr in Santiago ankommen?". Ja, ja, das Ziel rückt näher. Vielleicht trifft man sich in der Kathedrale ...
Von Cacabelos nach Villafranca führt der Weg durch die Weinberge des Bierzo. Weinlese. Teilweise ziemlich versteckt sieht und v.a. hört man Weinbauern (und deren Familien) bei der Arbeit. Schön durch diese lebendige Landschaft zu pilgern.






Vor blauer Traubenpracht überquellende Körbe werden aus den Rebreihen zum am Weg parkenden Kleintransportern und Kleinlastern getragen und entleert. Hab' mir einen Träubel genehmigt. Sind wirklich süss die Trauben.


Auf halbem Weg nach Villafranca werde ich in einer improvisierten Garagenkneipe von einer Alten abgefangen. Gut, ein Rosado geht immer. Gut, aber die Alte und die gesamte Belegschaft kommen mir etwas Spanisch vor, lassen die sonst übliche Herzlichkeit vermissen. 10 Minuten später ziehe ich weiter.


In Villafranca angekommen mache ich sogleich einen Abstecher in die am Ortseingang grüssende Jakobskirche. Entzünde eine Kerze für meinen auf den Tag genau vor 2 Jahren verstorbenen Vater.


Quartiere mich in der Kult-Albergue "Ave Fenix" ein, werde freundlich empfangen. Das etwas schäbige Ambiente der Herberge wird offensichtlich gepflegt, hochgehalten und von (manchen) Pilgern geliebt.


Na ja, mein Ding ist es nicht. Dennoch, das gemeinsame Abendessen an einer langen Tafel ist sehr schön. Gutes Essen, gute Gespräche. Z.B. mit der Künstlerin Anna aus Düsseldorf, um die 30, musste einen Tag pausieren, da sie Probleme mit einem Bein hat, und das kurz vor dem Ziel. Sie ist betrübt. Wie bei den meisten freischaffenden Künstlern auch ihre Themen: wie sich selbst vermarkten ohne sich selbst zu verkaufen. Wertschätzung. Existenzangst. Oder mit dem freiberuflichen Familienberater Martin aus Bernau bei Berlin (war den Weg vor 7 Jahren mit Hund Suse schon mal gegangen). Sonst noch am Tisch: Brasilien, Frankreich, Spanien, Italien. Zu vorgerückter Stunde wird ein Geburtstagsständchen gesungen. Herbergsvater und Guru Jesus Jato zelebriert eine Queimada, das flambierte, galicische Nationalgetränk aus Zucker, Kaffee, Kräutern und sonstigem Geheimingredenzien. Für meinen Geschmack wird etwas zu viel Brimborium um das Ganze gemacht. Wer's mag.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,
diese Herberge habe ich nach dem "Einchecken" wieder verlassen. Ich hätte es da nicht ausgehalten..
Dann lieber noch weiter..
Liebe Grüße
Thea
PS: Und die Duro-Variante ist wirklich die schönere, bin letztes Jahr "oben" gegangen, heuer "unten" und habs fast bereut!