Freitag, 3. Oktober 2008

Lebe Deinen Traum, Von Sarria nach Airexe (Di 30.9)

Während ich in der Bar meinen morgendlichen Milchkaffee schlürfe, zieht sich ein Alter schon einen Brandy rein. Um halb Acht. Nicht von schlechten Eltern!


Sarria im Morgengrauen.


Galicien, grünes Land. Auf Hohlwegen geht es durch Eichen- und Kiefernwälder, an Weiden vorbei. Horreos, die bereits erwähnten und konstruktionsbedingt garantiert mäusefreien Kornspeicher, in den Dörfern. Heidekraut und Ginster leuchten im Duett, ein prächtiges Farbenspiel. Überwiegend umgarnen angenehme Düfte (Blätter, Kräuter, Büsche) die Nase. Nur wenn ein Schweinestall in der Nähe ist, wird's unangenehm. In dieser Gegend sind es gar nicht mal so wenige. Heute Morgen ist es wie sonntägliches Wandern in der Fränkischen. Gruppen und Einzelreisende vor mir, hinter mir. Gefüllte Bars, Sonnenschein. Sonntagspilgern. Keine Spur von Einsamkeit. Laufe kurze Zeit mit Maria-Jose aus Sao Paolo. Mitte 50, Kinder erwachsen, geschieden, aus dem Job ausgestiegen, absolut frei. Spielt mit dem Gedanken nach Australien auszuwandern und sich dort sozial zu engagieren. Jetzt erst, da ich diese Zeilen niederschreibe, fällt mir auf. Sozial engagieren in Australien? Warum nicht in Brasilien, Rio, Sao Paolo, da gäbe es doch sicher auch einiges zu tun. Ja, ja, es ist schon immer auch eine Flucht im Spiel ...

Gegen Mittag komme ich bei Kilometer 100 vorbei. Der nächste Meilenstein (genauer gesagt Kilometerstein) meiner Reise ist erreicht.


Ab sofort nur noch zweistellig! Ich lerne Juanjo aus Santa Cruz/La Palma und die beiden Ergotherapeutinnen Ulli und Billi aus Wien bzw. dem Burgenland kennen. Wir trinken zusammen Kaffee. Billi trägt eines dieser typischen Camino T-Shirts, das in vier Sprachen die folgende Lebensphilosophie ausdrückt: Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum!

Juanjo hat ein bandagiertes Knie. Doch als er erfährt, seit wann ich unterwegs bin, meint er: "Pedro, sabes, que ya se fue mi dolor" (Schon habe ich keine Schmerzen mehr). Juanjo ist mit einer Venezolanerin verheiratet, die in der Hauptstadt La Palmas, Santa Cruz, eine Bar betreibt. In unmittelbarer Nähe des Modells der Santa Maria, dem Flaggschiff Columbus'. Das wiederum habe ich mir schon mal angesehen. Am End kenne ich die Bar seiner Frau!

In Portomarin lege ich in einer Bar (wo sonst) eine kurze Pause ein. Mit was? Jawohl, zwei Blancos. Als ich mich für die Weiterreise fertig mache, begegnet mir Maria-Jose nochmals. Sie ist ziemlich erschöpft und wird hier Etappe machen. Ich ziehe weiter. Es ist halb Vier, da geht noch einiges. Portomarin ist nicht der Rede Wert. Ein in den 60igern neu entstandener Ort. Das alte Portomarin liegt im nahen Stausee begraben. Nur die römische Wehrkirche hat man gerettet, Stein für Stein abgetragen und wieder aufgebaut. So kommt's, dass die Plaza des Portomarins mit einer uralten Kirche glänzt. Das hat was. Mindestens drei Brücken hat der Ort aufzuweisen.


Auf einer sehr hohen Steinbrücke über den Stausee erreicht man den Ort (warum kam noch niemand auf die Idee, hier eine Art Pilger-Bungee-Jumping zu installieren?) und über eine ausgesetzte Eisenbrücke geht es aus dem Ort hinaus. In der Tat eine Herausforderung für Pilger mit Höhenangst (die meintest Du Dorothea, oder?).
Nun bin ich wieder alleine unterwegs.



Ich gehe bis in den kleinen Ort Airexe, wo ich um halb Acht ankomme. Hier ist wenig los. Der liegt nicht auf vieler Pilger Etappenplan. Gut. Beziehe ein wunderschönes Zimmer im nagelneuen Hostal mit wunderschön gefliesstem Bad (mit diesen kleinen quadratischen Fliessen). Worüber man sich manchmal freuen kann! Spagetti und Omelett zum Abendessen. Lecker. Es passt einfach alles.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, ja, die meinte ich ... munter loslaufen und dann diese Brücke, das war ein Schock. Aber ich habe sie überwunden, dank einer Hilfestellung aus der Gruppe.