Freitag, 3. Oktober 2008

Im Land der Hexen, Von Alto do Poio nach Sarria (Mo 29.9)

Beim morgendlichen Kaffee in der Bar helfe ich der alten Wirtin beim Verbinden ihrer Finger. Sie hat sich in zwei Finger geschnitten. Irgendwie hat sie einen Narren an mir gefressen. Vielleicht, weil ich gestern Abend das Essen gelobt habe. Wenn die Alte nur mal ihr Albergue auf Vordermann bringen würde. Lustig auch das Klo der Bar. Automatische Beleuchtung, die etwa alle 20 Sekunden erlischt. Ein Spass sage ich Euch ... Das ist der Geist, der hier vorherrscht: "Uns ist alles Wurst - die Pilger sind eh nur eine Nacht da und ziehen dann weiter ..."
Um halb Neun geht's los. Schöner Sonnenaufgang. Durch die Bergwelt Galiciens.



Heidekraut und Ginster. Vermutlich eine niedrig wachsende Ginsterart, so zumindest eine deutsche Pilgerin, die ich konsultiere, bin mir aber nicht sicher; jedenfalls etwas Gelb blühendes, das ich die nächsten Tage noch oft sehen und fotografieren werde - ich nenne es einfach mal Ginster.
Nach gut 12 km Abstieg mache ich Rast in einer Bar in Tricastela. In der Ecke unter dem Fernseher sitzt eine Hexe. Jawohl, auch das ein Zeichen dafür, dass ich in Galicien bin. Hier treiben die Hexen ihr Unwesen.



hier geht's lang


Ist es nicht toll? Du bist zu Fuss unterwegs und kannst schön langsam mitverfolgen, wie sich die Riten ändern. Keine 20 km weiter und schon sitzt da eine Hexe in der Ecke, gibt es keinen Rosado mehr, schmücken "Horreos" genannte Kornspeicher die Dörfer, sprechen die Leute eine unverständliche Sprache, usf. Wie oft habe ich das erlebt!
Apropos unverständliche Sprache. Das erinnert mich an die drei Typen an der Theke, die direkt aus einem Film Aki Kaurismäkis stammen könnten: halblanges, fettiges Haar, Zigarette, Drink. Unterhalten sich auf Galicisch (oder doch Finnisch ;-)), verstehe kein Wort.





Weiter nach Sarria. Auf und ab über Stein- und Teerwege. Kuhdörfer, Kastanien, Kiefern. Kuhfladen auf den steinigen Dorfwegen zeigen an, wo die Bauern ihre Vierbeiner in die Ställe treiben.


Oft, v.a. gegen mittag, begegnen einem in den Dörfern jetzt in der Tat Kühe. Ja genau, mittags sind es die Kühe, abends die Schafe.
Steige nach 33 km im Hostal "O Escalinata" ab (dieses O ist ganz typisch für Galicische Namen - die Kelten lassen grüssen), Einzelzimmer! Als ich mir unten in der Bar einen Blanco genehmige (Rosado gibt es ja nicht mehr), laufen mir (zum vierten Mal) die beiden Norweger Katu und Trina über den Weg. Jetzt aber geschwind die E-Mail Adresse ausgetauscht. Für die beiden Radler ist heute nämlich Schluss mit Camino. Nächstes Jahr werden sie wieder kommen und die restlichen 100 km zu Fuss absolvieren. Morgen fahren sie nach Bilbao weiter, wo sie noch eine Woche verbringen werden.


Trina und Katu als sie mir in León begegneten

Trina und Katu steigen im gleichen Hostal ab. Abends nehmen wir den Absacker zusammen ein. Auch die norwegisches Seele neigt, einmal in Alkohol, sprich Wein und Brandy getränkt, zu melancholisch-romantischen Anwandlungen. Katu versucht in die Tiefen des Camino vorzudringen und kommt zu dem Schluss. "Wir machen ihn, weil wir ihn machen müssen." Ja, und damit er wirklich recht. Ach, die norwegische Seele, vielleicht ist sie gar nicht so weit von der Finnischen entfernt! Er fügt hinzu, und auch damit hat er recht. "Wir müssen nicht alles erklären, erklären können. Einfach mal die Dinge nehmen, wie sie sind. Punto."
Katu hat eine Herz-OP hinter sich (vielleicht hat ihn meine Geschichte über Grit dazu bewogen, das zu erzählen). Jedenfalls verstehe ich mit diesem Wissen seine Aussagen umso mehr. Die beiden sind mir sympathisch. Sie genossen und sie geniessen das Leben. That's it.

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