Samstag, 18. Oktober 2008

Reprise



Bin mittlerweile schon seit über einer Woche wieder im Lande. Erster Eindruck: fantastisch unsere herbstlich gefärbten Wälder! Schön die Begegnung mit Familie und Freunden. Das tut gut.

Die Rückkehr in den Alltag fällt schwer. Schütze mich vor Informationen. Kann kaum eine Zeitung aufschlagen, ertrage das Radio nicht. Bankencrash, Politik - Themen von einer anderen Welt für einen, der lange Zeit sein gesamtes Hab und Gut auf dem Rücken mit sich trug, auf dem Weg aß, auf dem Weg Menschen traf.
Das hektisch-touristische Treiben in Santiago hat dem Schutzschild nichts anhaben können. Meine Ankunft wird noch dauern. Ich find's gut. Geduld.

Abschließend ein Gedicht von Ulrike Bruckmeier, das meinem Empfinden auf der Pilgerreise sehr Nahe kommt.


Ruhe

Ruhe!
Ich sehne mich so sehr danach.
In der Hektik des Alltags.
Im Trubel der Familie.
Im Lärm der Städte.
Unter zu vielen Menschen.

Ich fliehe davor in eine Auszeit
und mache mich auf, auf den Weg,
auf die Suche nach diesem lange vermissten Raum in mir,
wo ich aufatmen kann.

Und während ich gehe auf dem Weg,
Schritt für Schritt mich dabei umsehe,
außen und innen, nach Richtungsweisern,
die mir den Weg dahin zeigen könnten,
beginne ich selbst, allmählich, Gedanken die mich bedrängen
einfach beiseite zu schieben,
lasse sie ziehen,
weil da, wo ich jetzt bin,
auf dem Weg, nichts wichtiger ist,
als zu gehen, zu schauen, zu hören, zu spüren, zu sein.

Und so spüre ich irgendwann,
wie Ballast, den ich im Gedankengepäck mitnahm,
nach und nach an Gewicht verliert.
Schritt für Schritt bin ich angekommen.
Ich atme auf.

6 Kommentare:

thambauer hat gesagt…

Hallo Peter vielen Dank für deine Karte hab mich echt gefreut das du es geschafft hast stelle mir gerade vor wie das ist wieder in die Zivilisation zu kommen mit allem hektischen man muss sich wahrscheinlich gut schützen und ein paar Wochen ausklingen lassen um dann wieder in die Berufswelt einzusteigen stell ich mir echt heavy vor.
Naja alles gute noch für deine Zukunft

Christian Thambauer
thambauer@sunrise.ch

Norbert Leinfellner hat gesagt…

Welcome home!
Kannst du nicht mal nach Kalifornien pilgern?

Liebe Gruesse
Norbert

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,
von einem Freund, Helmut Sperber, habe ich deine Adresse erhalten und mit Interesse und viel Vergnügen deine täglichen Berichte vom Camino gelesen. Vor 13 Jahren bin ich mit einer kleinen Gruppe aus unserer Pfarrei in Santiago angekommen. 8 Jahre hatten wir am Weg gearbeitet. Pro Jahr hatten wir nicht mehr als 10 bis 12 Wandertage zur Verfügung, der normale Jahresurlaub eben. Damals war, natürlich, alles noch ganz anders. Jakobswege in Deutschland, in der Schweiz und im größten Teil Frankreichs hat es noch nicht gegeben. Auf Wanderwegen sind wir irgendwie runter an den Bodensee gezogen, von dort am Rhein entlang nach Schaffhausen, dann über den Jurahöhenweg in der Schweiz nach Pontarlier in Frankreich. Dann haben wir ein Lineal auf die Karte gelegt, um den kürzesten Weg nach Le Puy zu ermitteln; von dort aus war auch damals schon die GR 65 markiert. Leider führte die direkte Linie über den Großraum Lyon. Nördlich oder südlich vorbei, war die Frage. Wir entschieden uns für die Nordumgehung. In diesem Jahr sind wir dann in 12 Tagen 500 Kilometer gelaufen, meist auf Teerstraßen. Auf den späteren Etappen haben wir es nicht mehr so toll getrieben. Obwohl ja einschlägig vorbelastet, war auch für mich der Weg in erster Linie ein Abenteuer, ein Weg in die Weite, raus aus dem Alltag und damit ein Weg zu mir selbst. Die knapp zwei Wochen unterwegs mit dem Lebensnotwendigen im Rucksack, der Grenzenlosigkeit vor Augen gehörten zu den nachhaltigsten Erlebnissen des Jahres. Höchstens zehn Minuten waren, wenn es sein musste, nötig, um aus dem Schlafsack hinaus in die Morgenkühle der Straße zu kommen. So wenig braucht der Mensch. Noch Jahre nach der Ankunft in Santiago hatten wir geradezu Entzugserscheinungen, weil uns die große Wanderung fehlte. Ich bin darauf hin nach Rom aufgebrochen, auch ein abwechslungsreicher, herausfordernder Weg, aber nur ein camino en miniature, ein Weg nicht ans Ende der Welt, sondern vielleicht ins Herz, ins alte Herz der Welt. Die nachdrücklichsten Erlebnisse auf dem camino brachte für mich die kastilische Meseta, und brachte das Kap Fistera. Keine Bar, kein Café war dort. Ein Verbrennungsplatz für aufgetragene Wanderklamotten? Damals nicht. Habe auch bis zu deinem Bericht nichts davon gehört. Ein zerfallener Schuppen auf der Anhöhe zum Meer hin. Über die Felsen sind wir hinuntergeturnt ans Wasser. Und Santiago selbst? Eindrucksvolle Romanik, verblasener Barock, inhaltsleer, galicische Dudelsacksmusik, sonnige Plätze und Cafés, Studentenschlangen an den Instituten, zu viele Menschen. Manches auch sonst auf dem Weg haben wir damals natürlich anders gesehen. Das Refugio von Jesus Jato haben wir ganz super gefunden, etwas gammelig, aber herzlich geführt. Die abgedrehte Zeremonie, eine Art Feuerzangenbowle, hat er damals schon zelebriert. Die schäbigste Unterkunft bot uns das Kloster Samos. Geradezu erstklassig waren demgegenüber die Zeltstädte in Villafranca an den Oca-Bergen und in Sahagun. Es gab da wohl sonst keine Möglichkeit zum Unterkommen. Na ja, usw. – Lange Zeit danach noch hatte ich eine neue Zeitrechnung: eine Zeit vor dem Weg, die Zeit auf dem Weg, die Zeit nach dem Weg. Mittlerweile verblassen die Erinnerungen. Wenn die morschen Knochen halten, will ich den Weg noch einmal gehen. Ich bin auch schon an den Bodensee hinuntergezogen, habe die Schweiz durchquert, habe viele deiner Bilder auch gesehen, bis an die Rhone südlich Lyon bin ich im Sommer gekommen. Es fehlt bei alledem der große Wurf. Ein Vierteljahr, zum Teil mit kaputten Schuhen, das kenne ich auch, die halten mehr aus als man denkt, alle Achtung! Wie dem auch sei, es war ein Vergnügen, deine Schilderungen zu lesen!
Gerhard Schneider, Erlangen.

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,
jetzt melde ich mich auch nochmal:
Post aus Santiago! Klasse! Vielen Dank, hat mich sehr sehr gefreut! Und danke für das Gedicht zum Schluß!
Mir gefällt noch eines von Elisabeth Alferink gut:

Brich auf

Mach Dich bereit.
Brich auf.
Schau nicht zurück.
Denn Deine Zeit ist da.

Geh unbeschwert. Laß los.
Nimm ins Gepäck
die Sehnsucht nur
und Gottvertrauen.

Sie sind nicht schwer.
Und später werden sie
Dich tragen
in der Dunkelheit.

Halt Deine Augen offen
unterwegs.
Verborgne Zeichen
warten schon auf Dich.

Verschließ die Ohren nicht.
Nur in der Stille
ruft die Stimme
zärtlich Deinen Namen.

Wer ruft?
Geh einfach mit.
Du wirst es
unterwegs erfahren.

Dir ein gutes Ankommen und einen guten Neustart oder ein neues Aufbrechen!
Liebe Grüße
Thea
PS: Und falls Du Lust hast, komm doch einfach zu unserem nächsten Abschlußfest im März! :-)

Peter B. hat gesagt…

Hallo Ihr unermüdlichen Kommentierer! Freut mich. Danke für Eure Wünsche und Einladungen (nach Kalifornien, nach Stadtsteinach ;-)) und - Gerhard - für den Exkurs an den Camino vor 13 Jahren. Schon lustig. Heute steigst Du - sagen wir - in Nürnberg ein, folgst Muschel, Pfeil und GR65 Symbol und kommst ein paar Monate später am Kap Finisterre an. Vor gar nicht so langer Zeit war das anders, wie ich jetzt weiss. Strecken mit dem Lineal ziehen - abenteuerlich.
Das Durchmessen der Meseta war für mich auch einer der eindrücklichsten und emotional ergreifendsten Abschnitte auf der gesamten Pilgerreise. Werd bei Gelegenheit Fotos im Internet abstellen und Euch hier informieren. Liebe Grüße Peter

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,

ich möchte mich nochmals bedanken für Deine Hilfe!

Habe mittlerweile mind. hunderte von Bildern geschossen, oft habe ich an Dich gedacht!

St. Jakob hat Dich zur rechten Zeit geschickt, denke Du hattest viele weitere beglückende Momente!
Denn, es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Ich wünsche Dir, dass Du Dich bald wieder im Alltag zurcht findest, möge Dir die Bewusstseinserweiterung behilflich sein!

Wenn Du wieder mal in´s Wehrgang kommst, die Vogelfuttersemmel werde ich mit ´nem doppelten Cappuccino für lau toppen!!! ;-)

Danke für den Bericht - das Feuer lodert!!!

Mit freundlichen Grüssen,
Harry!