Gegen 8 Uhr verlasse ich meinen heimeligen Schlafplatz. Über Dürrenmungenaun und Beerbach geht es zunächst hinauf nach Wernfels, wo in der gleichnamigen Burg eine der beliebtesten Jugendherbergen Deutschlands untergebracht ist.
Entzückt bin ich von den mit viel Liebe gepflegten Bauerngärten, die in den Dörfern immer wieder meinen Blick fangen.
Blütenpracht, Farbenpracht. Am Zaun eines besonders schön restaurierten Bauernhofes in Beerbach lese ich "Im Garten des Lebens sind unsere Träume die Blumen". Träume bringen Farbe ins Leben. Selten genug, dass wir sie erinnern. Am selben Zaun ist auch das Hinweisschild "Santiago de Compostela, 2650 km" angebracht. Das macht Mut.
Zum (verspäteten) Frühstück in Wernfels verspeise ich einen leckeren Kirschkuchen beim Bäcker am Marktplatz. Es ist Kirschenzeit und so wundert es nicht, dass in dem leergekauften Laden gerade noch 2 Stück Kirschkuchen übrig geblieben sind. Im Gespräch mit der Ladeninhaberin, das sich entspinnt, als ich sie um Wasser für meine Trinkflasche bitte (ihr Kommentar: "das sind wir gewohnt"), erfahre ich, dass Ihr Mann Marathonläufer ist und bereits seit 20 Jahren an Wettkämpfen teilnimmt. Und heute morgen berichtet Fr. Neuhäuser (meine Zimmerwirtin, siehe unten) , dass der Cousin Ihres Mannes Langstreckenläufer sei, und letztes Jahr innerhalb von 10 (!) Tagen von Weißenburg nach Rom gelaufen sei. Irre. Ich frage mich: Nehme ich nur noch Marathonläufer bzw. Extremisten wahr? Auch eine Art von Wahrnehmungsverschiebung. Doch zurück zu gestern.
Von Wernfels geht's hinauf nach Theilenberg, anschließend hinunter zum Erlbach und wieder hinauf nach Kalbensteinberg. Jetzt komme ich richtig ins Schwitzen.
Oben auf der Anhöhe erstrecken sich Obstplantagen so weit das Auge reicht. Die meisten sind von einem hohen Zaun umgeben. Das wirkt befremdlich. Der Ort wirkt sehr aufgeräumt, zu geschleckt. Ich beschließe nicht hier, sondern erst im nächsten Dorf einzukehren. Meinen ursprünglichen Plan, in einer der Ortschaften einen Laden aufzusuchen und mir eine Vesper zusammenzustellen, habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben. Aus einem einfachen Grund: es gibt keine Läden! Oder nehme ich sie nur nicht wahr?
So nehme ich also etwa 30 Minuten später in Igelsbach beim Gasthof "Zur Linde" Platz. Käseplatte und Apfelschorlen werden zum Schluss mit einem Geschenk des Hauses, einem selbstgebrannten Schlehenlikör, abgerundet. Der Wirt, Hr. Racher, ist ein tüchtiger, aufgeschlossener Mann, der sich hin und wieder gerne auf dem Fahrrad Berge hinauf schindet. Ein Familienunternehmer, der mit Skepsis in die Zukunft blickt, angesichts der in Großkonzernen vorherrschenden Führungsmentalität, die täglich in den Zeitungen kolportiert wird. Vielleicht ein wenig zu pessimistisch. Ich pflichte ihm darin bei, dass Mensch und Bildung wieder mehr in den Fokus rücken müssen. Hr. Rachers Sohn ist Koch und - so schließt sich der Kreis - kocht im Wonka, einem Nürnberger Lokal mit gehobener Küche, das im Stadtteil Johannis liegt. Er versichert, dass dort nur frische Zutaten verwendet werden. Sonst hätte sein Sohn dort nicht angeheurt. Wenn das kein Grund ist, endlich mal im Wonka zu speisen.
Am Nachmittag verschafft sich der Himmel Luft. Die schwüle des Vormittags hatte es schon angekündigt. Gewitter, zeitweise sehr ergiebige Regengüsse. Zweimal kann ich mich rechtzeitig unterstellen. Z.B. im Unterstand der Bushaltestelle in Brombach. Der Regen hat gerade eingesetzt, da kommen noch zwei radelnde Damen in die Bushaltestelle gerast. Zu dritt schauen wir den im Asphalt wachsenden Pfützen zu. Dabei tauschen wir Wandergarn aus. Mittlerweile kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass jeder irgendjemanden kennt, der schon mal nach Santiago gepilgert ist. So auch hier. Und ich lerne: die an meinem Rucksack angebrachte Jakobsmuschel hat Signalwirkung.
Beim dritten Regenguss am Abend ist dann der Stallgeruch zu groß, die Geduld zu klein. Auf der Zielgeraden zu meiner Unterkunft im Ortsteil "Aha" (lustig, gelle? soll aus dem griechischen kommen und "am Wasser gebaut" bedeuten) erwischt es mich schwer. Keine Möglichkeit mich unter zu stellen. Augen zu und durch. Glücklicherweise werde ich bei Frau Neuhäuser sehr freundlich aufgenommen. Die nassen Klamotten werden im Heizungskeller trocken gehängt. Ultreia!
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3 Kommentare:
Hallo mein Freund und Partner,
die Gegend um Wernfels kenne ich auch sehr gut. In meinem "früheren Leben" bin ici auch des öfteren den Weg von Wernfels nach Theilenberg und zurück gelaufen. Heute habe ich in der ZEIT eine CD Besprechung von Marc Ribot gelesen. Der hat gesagt "Man erkenn seine Grenzen, indem man versucht sie zu durchbrechen" und "man erkennt seine Möglichkeiten, in dem man das Unmögliche versucht". Viel Glück aud Deinem Weg! Un abbraccio, Karl
Hallo Peter,
unglaublich, da kriege ich tatsächlich Herzklopfen! Von daheim aus loslaufen nach Santiago!!
Ich wünsche Dir ganz viel Glück, viele tolle Erlebnisse und Begegnungen aber auch wunderbare Pilgerfreunde, die Dich begleiten...
Freu mich schon auf weitere Berichte von Dir.
Buen camino!
Thea
Hallo Peter,
wenn ich mir so deine langen Einträge anschaue, frage ich mich ernsthaft, wann du überhaupt läufst ;-))
Grüßle von Gisela aus Fürth
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