Die Nacht im Heu war super. Bin schon um halb sieben auf den Beinen. In der Sattelkammer (Komfortversion mit Nasszelle!) läuft mir Sandra, Michas Frau, über den Weg. Zu meiner Überraschung bekomme ich von den beiden ein kleines Frühstück mit großem Pott Kaffee kredenzt. So schlürfe ich also Kaffe, lasse meinen Blick über die Koppeln schweifen und schaue den Pferden beim Aufwachen zu. Fantastisch! Vielen Dank Sandra und Micha. Vielleicht verschlägt es Euch ja mal nach Franken!
Gegen halb Acht mache ich mich auf die Socken. Den Umweg, einmal täglich muss sein, bringe ich heute schon sehr bald hinter mich. Nach etwa 30 Minuten. Im Wanderführer heißt es "Auf Querweg nach links abbiegen". Ich bilde mir ein rechts gelesen zu haben und handle so. Bin wohl noch nicht so recht wach bzw. verträumt. I don't know. Vielleicht auch eine Konzentrationsschwäche (gelle Thea, kennst Du auch?). Wie dem auch sei. Nach etwa 10 Minuten erkenne ich "Gehen sie zurück auf Los!". Eine Beobachtung, die ich in diesem Zusammenhang immer wieder mache. Ich habe mich verlaufen -> Ärger über mich selbst. Ich nehme wieder richtigen Kurs auf -> Ärger weicht, Zufriedenheit macht sich breit, der Schritt wird schneller. So auch diesmal. DenFilm zurückspulend begegnet mir ein rüstig "walkender" Senior. "Guten Morgen!" Lustigerweise begegnet er mir 10 Minuten später - diesmal bin ich bereits richtig unterwegs - wieder! Es hätte eine Abkürzung gegeben. Was soll's. Alles hat auch was Gutes. Er erkennt mich auch und wir kommen ins Gespräch. Hr. Rückert ist sage und schreibe 81 (hätte ihn 10 Jahre jünger geschätzt) und hat schon etliche Etappen des Jakobswegs absolviert (u.a. durch die Schweiz, Genf - Le Puy).
Plant auch schon die nächste Pilgerreise, ist sich aber nicht sicher ob Alter und/oder Frau es zulassen werden (der Garten!).
Ich komme nach Lindenau. Das ehemalige Hospiz ist heute eine sehr beliebte Ausflugsgaststätte für Ulm und Umland. Davon hat mir Micha schon erzählt. Leider noch geschlossen, als ich gegen 10 vorbei komme. Reiter aufgemerkt: hier gibt es einen Pferdeparkplatz. Ein Querpfosten, an dem die Leine festgemacht wird, wie man es aus Wildwestfilmen mit John Wayne kennt. Die ganze Ecke hier ist Pferde- bzw. Reiterland. Der Jakobsweg führt hier an mehreren Reitställen vorbei.
Heute ist es sehr heiß. Der angekündigte Regen läßt glücklicherweise auf sich warten. Überall sind Bauern unterwegs, das Heu rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Über mich zischen Düsenjets der Luftwaffe mit Überschall hinweg. Immer wieder falle ich drauf rein. Ich schaue zur Schallquelle, doch da ist nichts, der Flieger ist schon längst weiter. Mit so einem Teil ist man in gut einer Stunde in Santiago. Krasser Gegensatz von Geschwindigkeiten.
Schwäbisch reden und schreiben heisst an jedes Wort ein "le" anhängen. Ein Beispiel, das Jakobsbänkle, an dem ich heute morgen vorbeigekommen bin und unweit des Bänkle erreicht man die Jakobsautobahnraststätte.
Was es nicht alles gibt. Ja, zwei Autobahnen lasse ich heute auch hinter mir. Erst die A7 und dann die A8.
Am Ende des Tages (at the end of the day - gefällt mir irgendwie) werden's heute rund 37 km. Das ist eine Menge.
Ab Thalfingen, einem Vorort von Ulm, bin ich ziemlich platt. Glücklicherweise komme ich an einem Brunnen vorbei, in dem die qualmenden Füße gut auskühlen können.
Danach geht's die Donau entlang flott weiter. Gegen 7 stehe ich zum erstenmal vor dem höchsten Kirchturm der Welt.
Und dann kommt der schon erwähnte Frust. Kein Zimmer. Mit dem Bus zur Jugendherberge, die etwas außerhalb liegt. Ach ja, da fällt mir Alex ein. Der junge Mann, den ich an der Bushaltestelle anquatsche: welcher Bus, wo aussteigen, das Übliche. Alex, Jungprofibasketballer bei Rathiofarm Ulm, 17 Jahre jung, ist enorm aufgeschlossen und hilfsbereit. Mit der Jabkobspilgerschaft hat er sich auch schon auseinander gesetzt. Hat schon 'ne Menge darüber gehört bzw. gelesen und möchte den Weg auch mal gehen. In dem Alter, bemerkenswert. Er hat ja noch ein bisschen Zeit. Im Bus sitzen wir nebeneinander, ich meinen Rucksack vor den Füßen, er seinen Basketball auf dem Schoß. Zum Abschied wünsche ich ihm viel Erfolg in seiner Profikarriere. Und er ganz cool: "Nicht vergessen, nie das Ziel aus den Augen verlieren" und deutet dabei mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger in seine Augen. Einfach klasse der Typ.
In der Jugendherberge muss ich dann eine Stunde warten, bis ich mein Zimmer beziehen kann. "Keinen Stress, Peter", sage ich mir selbst. Wenn Du jetzt eines hast, dann ist es Zeit. Stimmt doch, oder? Pfirt's aich. Melde mich vermutlich in Biberach wieder. Hab' noch 15 km vor mir und es ist schon bald 18.00 Uhr. Wird schon gehen.
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6 Kommentare:
Grias di, Peter,
ich glaube "verlaufen" gehört wohl zum camino dazu und es kann auch passieren, dass man trotz vieler Muscheln und großen gelben Pfeilen an einem Ort übereinander und nebeneinander die falsche Richtung einschlägt... und ein gutes Gefühl, wieder auf dem richtigen Weg zu sein.
Und manchmal wäre es spannend, wenn man auf den camino aus der Satellitenperspektive sehen könnte, wie all die Pilger wie auf einer Perlenkette aufgereiht sich scheinbar wie von Zauberhand auf dem gleichen Weg Richtung Santiago bewegen (den manchmal kaum sichtbaren Zeichen folgend).
Freut mich, dass es Deinen Füßen so gut geht!
Pfiardi und
buen camino!
Thea
Sehr schön, sehr spannend, Peter!
Ich glaube, es ist ein sehr, sehr guter Weg, den Du da gehst. "Verläuft" man sich eigentlich auch im Leben? Frage ich mich gerade. Und wenn ja, wie oft? Gehen wir im Leben auch manchmal in die "falsche" Richtung? Oder ist es eher so, dass wir uns manchmal im Kreis drehen und damit dann im Ergebnis vielleicht sogar stillstehen? Ich glaube, wenn es so ist, dass man sich immer und immer wieder im Kreis dreht und dann im Ergebnis letztlich still steht, obwohl man sich dauernd bewegt - dann, ja dann hat man sich w i r k l i c h verlaufen, oder? Dann lieber mal in die "falsche" Richtung - vielleicht gibt es die aber auch gar nicht. Viele philosophische Fragen, die sich mir hier gerade stellen - hätte ich gar nicht erwartet, nach einem Pokerabend :-). Mach es auch weiterhin so gut, mein Freund.
Lieben Gruß
Uwe
Hallo Ihr beiden NLPler,
ich freue mich jedesmal über Eure Kommentare.
@Thea
Die Idee mit der Satellitenperspektive finde ich gut. Es gäbe fette Linien - der "richtige" Weg - und zarte Linien gezeichnet von denjenigen, die sich (kurzzeitig) verlaufen haben.
@Uwe
Ja, sehr philosophisch. Muss sehr gut gelaufen sein am Pokertisch. Ich denke schon, dass Verlaufen auch als Metapher für's Leben taugt. Verlaufen ist ok, nur den Kreis sollte man verlassen, sobald man merkt, in selbigen geraten zu sein.
Schönes Wochenende Euch!
Peter
Hallo Peter,
ich finde es sehr schön, dass Du uns "mitnimmst" auf Deinen Weg und uns ein Stück weit teilhaben läßt! Nach dem mich dieser camino-Virus erwischt hat, finde ich es doppelt schön, dass ich Deine Berichte lesen darf..
Und: ich weiß nicht wie es Dir geht, aber für mich persönlich war es auch beidemale wichtig zu wissen, dass mich Freunde von zuhause aus mitbegleiten... das erstemal hauptsächlich, wenn des öfteren so die Frage aufgetaucht ist "was mache ich hier eigentlich?" - heuer, um meine Freude teilen zu können und weil mir nochmal sehr viel bewußter geworden ist, wie wichtig mir meine Freunde daheim sind! Und wie dankbar ich bin!
Buen camino!
Thea
Nochmal zum "Verlaufen" oder Uwes Frage mit dem "Im-Kreis-Laufen": Das mit dem Verlaufen auf dem camino geht schon, aber irgendwie merkt man dann doch, die Richtung stimmt nicht... man wird wach und aufmerksam, vielleicht auch unruhig und unsicher und dreht dann um oder frägt sich durch.. Im Kreis gehen bzw. gleich mehrmals im Kreis gehen...? Ob das auf dem camino auch möglich wäre? Man müßte schon alles ignorieren: die äußeren Zeichen/Wegbeschreibungen/Richtung/Stand der Sonne, die körperlichen Signale der Füße/Beine/die Schwere des Rucksacks/die Menschen, die einen vielleicht daraufhinweisen oder die innere Stimme .. und aus der - berühmten - Eigenverantwortung aussteigen! :-)
Hallo Peter,
schön in Deinem blog zu lesen. Es freut ,dass es Dir bei uns gefallen hat. Hätte gerne noch mit Dir gefrühstückt, aber morgens ist die Zeit bei mir immer sehr knapp...
Das Schöne an so einer Reise ist ja, dass man unweigerlich das Gefühl bekommt - alles ist miteinander verbunden, vernetzt. Eins ergibt das andere. Eine aufgeschnappte Unterhaltung dort, ergibt plötzlich eine wichtige Entscheidungshilfe in einer anderen Situation. Das sind Dinge ,die – so natürlich meine Wunschvorstellung – eigentlich immer da sind, die nur im Eifer des Alltages untergehen.
Mir erging es auf Reisen immer so....und wenn ich zwischen Deinen Zeilen lese, habe ich den Eindruck, dass es Dir auf Deine Reise ganz ähnlich geht.
Ich wünsche Dir, dass alles in erfüllung geht, was Du Dir von dieser Reise versprichst, dass schwierige Situationen Dich stärker machen, und nicht zuletzt, dass Du lange von deinem „Abenteuer“ zehren wirst.
Ich freu mich für Dich, dass Du diese Möglichkeit hast – und irgendwie bin natürlich auch ein bischen neidisch...
Mach´s gut
Micha aus Stetten o.L.
Hallo Micha,
das mit dem gemeinsamen Frühstück werden wir mal nachholen, wird sind ja jetzt "vernetzt".
Das Erleben von Vernetzung auf meiner Wanderschaft finde ich total spannend. So z.B. heute morgen in Weingarten. Da läuft mir im Kloster (das ja heute die pädagogische Fakultät beheimatet) die nette Frau über'n Weg, die mir vor zwei Tagen in einer Bäckerei in Biberach Brötchen verkaufte (und mir bei dieser Gelegenheit erzählte, dass sie in Weingarten studiert). Schon lustig.
Micha, Dir und Deiner Familie alles Gute!
Viele Grüße
Peter
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