Samstag, 6. September 2008

Iren in Moissac, Von Moissac nach Saint-Antoine (Mo 1.9)

Bereits um Sieben sitze ich heute am Frühstückstisch. Aideen und Ron Bates, die Herbergseltern, Hospitaleros, sind auch schon aktiv. Aideen ist der Wirbelwind, kümmert sich um die Küche, unterhält die Gäste und nimmt sich deren Sorgen an, immer freundlich. Ron macht den Rest, hält die Pilger bei Laune. Er hat 2001 den Camino gemacht. Sohn Mathew sitzt entweder auf Mamas oder auf Papas Arm. In diesem Fall wird der Kleine dann schon mal um den Hals gewirbelt, was ihm offensichtlich viel Spass macht. Die Bates kommen aus Irrland, haben Ende 2003 Irrland den Rücken gekehrt und sind nach Moissac gegangen, um eine Pilgerherberge aufzubauen und zu betreiben. Ein halbes Jahr nach dem Entschluss war eine geeignete Lokalität gefunden, eine Garage ... Nach dem Kampf mit dem Amtsschimmel konnten sie schliesslich 2006 mit der Vermietung beginnen. Ron hat dafür einen gut bezahlten Job als Vertriebsleiter bei Lucent aufgegeben. Schon irre. "Manchmal, wenn ich auf Knien ein Klo putze, erinnere ich mich an das schöne Büro, die schöne Aussicht, die ich einst hatte. Aber, ich liebe das hier.", erzählt Ron. Mit Sohn Mathew hatten sie (beide Anfang der 40iger) nicht mehr gerechnet. Natürlich sind sie verrückt nach dem Kleinen. Irgendwie geht der Betrieb auch mit Baby weiter. Der kleine wächst halt etwas anders auf.

Jedenfalls ist das "Ultereia" wieder so ein Gite, das sich für mich als kleines Paradies erweist. Als i-Tüpfelchen kommt neben gutem Essen, netten Pilgern und Herbergseltern mit interessantem Lebenslauf nämlich noch der Internetanschluss dazu. Den nutze ich heute morgen weidlich aus.

Gegen Mittag ist Schluss mit bloggen. Ich verabschiede mich von den Dreien und mache mich auf den Weg. Kurzer Stadtrundgang, Provianteinkauf.



Was heisst Proviant eigentlich? Baguette, Chocolatine (mit Schokolade gefüllte Blätterteigtaschen, esse ich mindestens zwei Stück am Tag, lecker!), Käse (aus der Region, z.B. Comte, Brie, etc.), Tomate oder Paprika, Apfel, Banane, Joghurt. Letzterer immer im 4er Pack, ist nicht anders zu haben. Mittlerweile kein Problem für mich. Ein wenig verroht man schon in all diesen Tagen. Während ich anfangs den Joghurt noch mit Plastiklöffel verspeiste, presse ich neuerdings den Inhalt der kleinen Plastikbecher direkt in meinen Schlund. Voila! Die Bäckereien sind montags geschlossen. Das Brot muss also auch im Supermarkt mit. Manchmal kommt mir Frankreich bürokratischer, konservativer und starrer als Deutschland vor. An den tradierten Öffnungszeiten hat sich zumindest in der Provinz nicht viel geändert.
Die heutige Strecke: etliche Kilometer geht es am "Canal Lateral a la Garonne" entlang. Das erinnert mich an den ersten Tag meiner Pilgerschaft, an den Abschnitt am Ludwig-Main-Donau-Kanal, auch wenn letzterer etwas idyllischer eingewachsen ist. Monoton und daher meditativ geht's dahin, Platanen säumen die künstliche Wasserstrasse. Alle etwa 15 Minuten kracht drüben auf der anderen Seite ein Zug vorbei und - endlich - nach etwa 3 Wochen in Frankreich zeigt auch die französische "Air Force", was sie kann. Zwei Tiefflieger düsen über das Garonnetal hinweg. Damit habe ich die Luftwaffe aller bisher besuchten Länder kennengelernt. Danke.


Überraschung am Nachmittag. Wer sitzt da kurz vor Malause am Kanal an einem einladenden Brotzeittischchen? Die Bärbel! Ein Gespür für Brotzeitorte mit Atmosphäre hat die Leipzigerin schon längst entwickelt, insofern keine Überraschung, dass sie sich diesen Ort ausgesucht hat. So schnell geht man auf dem Camino jedenfalls nicht verloren. Ich geselle mich zu ihr und packe meine Brotzeittüte aus, die wie ihr ja wisst, prall gefüllt ist. Bärbel steuert den Kaffee bei, ich den Joghurt zur Nachspeise. Die restlichen 17 km nach Saint-Antoine gehen wir zusammen.


Abkühlung unterwegs


Zwischenstopp auf ein Bierchen in dem schmucken Örtchen Auvillar, das wegen seiner runden Markthalle in Erinnerung bleiben wird.


Zeit und Kilometer vergehen sehr schnell, wenn man sich unterhält. Nach Überquerung der Garonne, sind wir im Land der drei Musketiere angekommen, in der Gascogne. Platanen, Zitterpappaln am Wegesrand und immer wieder Sonnenblumenfelder.



Im Restaurant der 200-Seelen Gemeinde Saint-Antoine sitzen nur Pilger, als ich mich als einer der letzten Besucher einfinde. Da ich kein Abendessen vorbestellt habe, gibt's für mich nur ein abgespecktes Pilgermenü mit Omelett statt der Standardhauptspeise. Pas de probleme. Bärbel, die sich einen Schlafplatz im Freien gesucht hat, gesellt sich später an meinen Tisch. Bei einem Bierchen lassen wir den Abend ausklingen. Ich ziehe mich in den feuchtwarmen Schlafsaal der Gite zurück, der mit 12 Herren besetzt ist. Das kann ja lustig werden ...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,
das mit der Verrohung kenn ich gut, aber es macht ja auch nix, gell? Der Pilger lebt halt etwas freier und unkonventioneller und kreativer. Und Herr Knigge war wohl nie Pilger (vermute ich). Herrlich ist ja auch, was man alles so ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, essen darf!
Ich habe gerade Besuch von meinem wunderbaren Pilgerfreunden, die ich letztes Jahr kennengelernt habe, die mir so geholfen haben (meine vielen Blasen an den Füßen!) - sie wollen meine Bilder von heuer sehen und wir reden über all unsere Erfahrungen und Begegnungen...
Nun noch Dein Eintrag, habe nun fast das Gefühl, auch wieder/noch unterwegs zu sein. Beneide Dich schon etwas..
Weiterhin einen guten Weg
wünscht Dir
Thea