Montag, 1. September 2008

Retter in der Not, Von Figeac nach Limogne-en-Quercy (Do 29.8)

Startaufstellung heute Morgen: Sigrid und Helmut vorneweg, ich als nächster und zum Schluss Marina, Caroline und Stefan. Herrliche Morgenstimmung. Der Weg schraubt sich am Südhang des Lot empor. Bald kann man auf Figeac hinunter schauen. Da liegt sie, die Stadt der gotischen Bögen, die Stadt des Hieroglyphenentzifferers Jean-Francois Champollion. Der Jakobsweg führt nun durch den Quercy, eine durch Jurakalkhochflächen (den sogenannten Causses) geprägte Landschaft, die von den Flüssen Lot und Célé eingegrenzt wird. Schafweiden und Steinhütten, die den Hirten als Unterschlupf dienen, am Weg. Diese sogenannten "cazelles" erinnern in Form und Grösse an Iglus, halt nur aus Stein. Buchsbaum, Eiche, Ahorn und Kastanie am Wegesrand. Angenehme Düfte nach Küchen- und Kirchenkräutern erleichtern das Wandern, auch das Aroma eines Kuhstalls. Der Geruch nach Kuh ist mir mittlerweile sehr vertraut und schmeichelt meiner Nase. Neben der "normalen" Kastanie auch viele Esskastanienbäume, stellenweise ganze Plantagen dieser sehr schön anmutenden Bäume. Stefan und ich haben deren Früchte Seeigelfrüchte genannt, als wir noch nicht wussten, dass es Maroni sind. Verblüffend die Ähnlichkeit der Früchte mit den Meeresbewohnern, bis auf die Farbe, die ist natürlich Grün.
In "La Cassagnole" hole ich die beiden Österreicher ein. Die nächsten etwa 16 Kilometer nach Grialon gehen wir wieder zusammen. Um Bücher, Filme und Musik rankt sich unsere Unterhaltung. Helmut erweist sich als hervorragender Kenner des Ambrossschen Liedguts. "Es lebe der Zentralfriedhof, mit all seinen Toten" und so. 'ne Menge Texte, die er aus dem FF rezitieren kann. Wieder beobachte ich (an mir), wie wenig ich, in eine Unterhaltung vertieft, auf die Umgebung achte. Bin halt doch nur ein Mann. In Grialon wieder einmal Abschied von den beiden. Sie gehen Kaffee trinken, ich weiter nach Cajarc (10 km). Will heute voran kommen.
Um halb Drei komme ich in Cajarc an. Bin fast am verdursten. Reisse mir ausnahmsweise eine Cola im Kramladen und schütte deren Inhalt sofort in mich hinein. Zucker und Flüssigkeit, genau das, was ich jetzt brauche. Sofort sind die Lebensgeister wieder da. Dann noch ein Milchkaffee und ich bin im Nirvana. Mittlerweile ist Styr auch angekommen. So schnell werde ich die Österreicher offensichtlich nicht los ;-) Helmut leistet mir kurz im Cafe Gesellschaft. Sigrid hat es sich bereits in der Herberge bequem gemacht. Sie haben ihr Tagesziel in Carjac bereits erreicht. Nochmals Tschüss. War sehr schön mit Euch! Wer weiss, vielleicht führt uns der Camino nochmal zusammen, ist ja noch ein Stück hin ...
Proviantenkauf und Abmarsch um halb Vier. Zunächst ein Stück am Lot entlang, schraubt sich der Weg ab Gaillac wieder hoch. Nichts Neues also, wieder hinauf ins Causses. Man geht jetzt durch Wachholder-, Buchsbaum- und jungen Eichenwald. Sehr schön, tolle Aromen, aber brütend heiss. In den Hohlwegen steht die Hitze. Ach Frankreich, Du Land der Steine. Steinig die Wege (manchmal zermürbend), aus Stein die Mauern. Ich frage mich, wer all diese Steine aufeinandergestellt hat? Kilometerlang geht es durch die Buschlandschaft bergan, kilometerlang die alten, abschnittsweise eingefallenen Mauern (30-40 cm hoch).



Nach etwa 10 Kilometern gabele ich in der Nähe des Pech (Berg) Niol zwei Endfünfzigerinnen auf. Die beiden Französinnen hatten sich für heute zu viel vorgenommen, sind erschöpft, Batterien leer, Wasserflaschen leer. Drücken mir eine Karte in die Hand, ein Handy ans Ohr. Mach' mal! Am anderen Ende der Leitung die Wirtin der Gite, wo die beiden übernachten wollen. Sie spricht Englisch (im Gegensatz zu den Gestrandeten), so dass ich mit ihr vereinbaren kann, Monique und Marie in den nächsten Ort zu begleiten, wo sie dann nochmals anrufen und abgeholt werden können. Das funktioniert. Von einer schönen Wasserstelle aus, die wir nach 30 Minuten erreichen, schicke ich die Ladies nach Saint-Jean-de-Laur, das bereits in Sichtweite liegt. Ich mache eine ausgiebige Rast, speise und kühle meine Füsse am Wasserhahn.




Ankunft in Limogne-en-Quercy kurz nach Acht, nach 47 km! Bett im Gite beziehen, frisch machen und ab zum Abendessen. Es ist Neun, zu spät fürs Restaurant, da gibt es nichts mehr. Das nervt in Frankreich ein bisschen. V.a. in den kleineren Orten muss man sich beeilen, wenn man dinieren möchte. Zum Glück gibt's in dem Ort eine Pizzeria. Da hat die letzte Pizza (wirklich! der Pizzabäcker hat's mir gezeigt) auf den Peter gewartet. Zwei Bier dazu und die Welt ist wieder in Ordnung. Auf der Bierbank vor der Backstube vertilge ich das runde Teil und komme dabei mit den Pilgerinnen Astrid und Bärbel ins Gespräch. Astrid aus Solothurn, Mitte 40, macht sich jedes Jahr am 17.8 (ihr Geburtstag) für 2 Wochen auf den Camino. Das wird sie solange machen, bis sie eines Tages in Santiago ankommt. Heuer ist die Etappe Le Puy - Moissac dran. Bärbel, Mitte 30, ist vor 4 Monaten in Leipzig aufgebrochen. Von ihr habe ich schon einiges im Camino Radio gehört. Ausserdem las ich immer wieder mal Einträge in den Gästebüchern, die in vielen Kirchen ausliegen, mit der Grusszeile "Bärbel aus Leipzig".

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