Samstag, 30. August 2008

Sandlerfeeling, Von Livinhac-le-Haute nach Figeac (Mi 27.8)

Nach kurzem Frühstück in der Gite-Küche und kurzem Plausch mit Matthias, mache ich mich um Acht auf den Weg. Grandiose Morgenstimmung. Dunst steigt aus dem Tal des Lot hinauf und ich steige mit. Bald hole ich einige Pilger ein, die vor mir aufgebrochen sind. U.a. das ältere Ehepaar aus Belgien, das in der gleichen Herberge wie ich abgestiegen war. Die beiden haben bald alle Teiletappen bis nach St.-Pied-de-Port zusammen. Nächstes Jahr werden sie dann den Camino Frances anpacken.




Ich wandere auf 400 m Höhe. Wälder, Weiden, Weiler, a bisserl wie Fränkische Schweiz, nur die Ortschaften sehen anders aus. Hier hat jeder Ort einen eigenen Brunnen. Um Brunnenrand (Einfassung) und Winde ist jeweils eine kleine "Hundehütte" gebaut. Lustig.




An der Kirche in Saint-Felix komme ich bei einer Rast mit Sigrid und Helmut aus Styr bei Linz ins Gespräch. Die beiden sind auch an der Haustür losgelaufen und ihr Ziel, naja, is ja eh klar ... Gut 1500 km haben sie schon auf der Sohle. So gertenschlank wie die beiden sind, so schlank auch ihr Gepäck. Keine 8 kg wiegen ihre Rucksäcke. Auf das Gewicht pro Seite hat Sigrid, zuständig fürs Tagebuch, geachtet, auf das Gewicht pro Liter Helmut bei der Auswahl seines Rucksacks. Von den Österreichern kann man Gewichtsparen lernen!
Später hole ich sie nochmal ein. Die letzten Kilometer nach Figeac laufen wir dann zusammen, unterhalten uns angeregt. Helmut ist Wirtschaftslehrer, Sigrid Pharmazeutin. Sie hat sich ein Jahr beurlauben lassen, Helmut ein Sabbatjahr genommen. Und weil's so schön ist, trinken wir in Figeac zum Abschied einen Kaffee zusammen. Wirtschafts- und pharmazeutische Kompetenz verdichten sich bei den beiden zu einer perfekten Pilgerdokumentation. Da werden sogar Ankunftszeiten in den Orten als Randnotizen im Wanderführer vermerkt. Ich bin beeindruckt. Man merkt, die beiden hat das Fieber gepackt. Fast hätte ich es vergessen, den Camino sind sie natürlich schon längst gegangen (die Aragonesische Variante).


Während die beiden in Figeac Etappe machen, zieht es mich weiter. Doch zuvor begebe ich mich in eine Art Jugendzentrum zum Bloggen. Und was tut man in einem Judendzentzentrum? - Genau, versumpfen. Es ist schon Fünf, als ich rauskomme. Puh, die Zeit rennt mir davon! Einkauf und kleiner Stadtrundgang stehen auch noch an. Schliesslich gilt Figeac mit seinen vielen gotischen Bögen als sehr sehenswert. Also ändere ich meinen Plan und bleibe, steige im Karmelitenkloster ab, wo ich die ganze Meute wieder treffe: Sigrid und Helmut, Stefan, und die beiden schwäbelnden Damen ...
Kaum habe ich mein Bett bezogen, verschwinde ich auch schon wieder. Hab' gesehen, dass es einen Waschsalon gibt, der allerdings um Sieben zu macht. Nichts wie hin. Es wird Zeit, die Klamotten mal anständig zu waschen. Bis auf Unterhose und Hose an meinem Körper, kommt alles in die Trommel. Die Zeit, mir die französischen Anleitungen zur Waschmaschinenbedienung zu lesen und zu verstehen, habe ich nicht. Das lasse ich mir von den Anwesenden erklären. Geht viel schneller und klappt. Was nun? Die Maschine läuft 40 Minuten lang. Nebenan lockt eine nette Bar, die etliche Tische draussen stehen hat. Allein, mit freiem Oberkörper wollen sie mich da nicht haben. Immerhin bekomme ich ein Bier. Mit dem Glas in der Hand lasse ich dann eben auf einer Bank am Platz nieder. Ein Hauch von Sandlerfeeling steigt in mir hoch.
Figeac erweist sich als quirlige Kleinstadt, die recht hübsch am Fluss "Le Céle" liegt. Gotische Bürgerhäuser und enge Gassen prägen die Altstadt.


Meine ersten Hospitaleros! Die Herberge der Karmeliten wird zurzeit von einem holländischen Ehepaar geführt (noch bis Montag, dann kommen andere). Man spürt, dass die beiden das aus Liebe und Überzeugung tun. Sie sind selbst viel gepilgert und kommen wegen der sieben Kinder auch sonst gut in der Welt herum. Über die Versorgung der Pilger hinaus kümmern sie sich auch ein wenig um die Schwestern, die sehr zurückgezogen und ärmlich leben. Er geht hin und wieder Beeren pflücken, damit die Schwestern Marmelade kochen können und dann auf dem Markt verkaufen. Ein Minieinnahmequelle des Klosters.
Wir essen mit den Herbergseltern zusammen zu Abend. Mittlerweile ist mir die Runde schon richtig vertraut. Klosterbrauereien und Namenstage (Bernhard, Augustus), unsere Berufe, einige der Themen beim Essen.


Eigentlich bin ich ja kein Freund von Vitamintabletten, doch auf meiner Pilgerreise ist auch das anders. Schliesslich kommt man ja doch ganz gut ins Schwitzen und zur Abwechslung Wasser mit Aroma hat auch was. Während man diese Tabletten bei uns nachgeschmissen bekommt, gibt's die in Frankreich nur in der Apotheke. Hab' mich lange geweigert und heute doch zugeschlagen. Ihr hättet des Chirurgen Stefan Augen sehen sollen, als ich ihm davon erzählte. Aha, also auch kein Fan von dem Zeug.
Das Kloster liegt recht unscheinbar am Fluss, ebenso unscheinbar das Strässchen zwischen Kloster und Fluss. Doch das hat es in sich. Einerseits Mopedteststrecke für die Dorfjugend, ein akustisches Vergnügen per excellence - und, als wir drei Herren so gegen Zehn schon in unseren Schlafsäcken liegen, klopft vom Strässchen her jemand ans Fenster unseres Zimmers. Da ich am nächsten liege, will ich nachsehen, was da ist. Stefan bremst in feinstem Hessisch: "Isch glaube net, dass mer jetzt reagiere müsse". Es klopft noch einmal. Unheimlich. Aber es könnten ja auch Spätankommer sein. Also sehe ich nach. Siehe da. Marina und Carolin hatten einen nächtlichen Ausflug zum Geldautomaten unternommen und sich ausgesperrt!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Pedro,
bin aus dem Urlaub zurück - war eine herrlich schöne Woche mit den kids in den Bergen bei allerallerbestem Wetter! Sehr schön! Jetzt habe ich auch Deine Berichte "nachgelesen". Sehr spannend nach wie vor.
Mach`s weiterhin gut und bis bald; herzlichen Gruß,
Uwe

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,

danke nochmal, dass Du in Figeac die Türe für uns geöffnet hast! Sonst hätten wie ev. noch bei der Dorfjugend schlafen müssen...

Caroline und ich sind seit gestern wieder daheim und das Stillsitzen fällt uns schwer.

Viel Spass noch beim wandern. Denke an Euch alle!
Pass auf Dich auf und ich schau mal wieder rein.

Lieben Gruss aus Zürich Marina