Wieder einmal zeigt sich, wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann. Frohgemut wandere ich auf den 1304 m hohen Pass zu, als plötzlich mein Unterbewusstsein einen Impuls ans Bewusstsein sendet mit der aus einem Wort bestehenden Botschaft: "Die Wäsche!" Schei... Ich Trottel hab' die zum Trocknen aufgehängte 2te Garnitur über dem Kamin hängen lassen! Das heisst zurück. Oh wie schwer es fällt einen einmal gegangenen Weg wieder zurück zu gehen. Ich fluche vor mich hin, aber es hilft natürlich nichts. Die Spätlosgeher kommen mir entgegen, es ist frustrierend.
Es ist 9, als ich zum zweitenmal aufbreche, wieder zu meiner Standardzeit ... Das waren etwa vier Extrakilometer. Vielleicht lautet die Botschaft an mich, es zukünftig gar nicht vor 9 zu versuchen? I don't know. Schön, dass es mittlerweile zu regnen begonnen hat.
Der Tag hat einfach super angefangen, mal sehen was noch kommt.
Wieder rolle ich das Feld von hinten auf. Heute bin ich noch schneller als sonst. Kein Regen kann mich stoppen. Kurzzeitig laufe ich mit Angelique, doch irgendwann klingt sie sich aus, um ihre Freundin nicht komplett abzuhängen.
Nach 12 km Zwischenstopp in Saint-Alban-sur-Limagnole.
Wider erwarten hat es zu regnen aufgehört. Meine Stimmung hat sich schon deutlich ins Positive verschoben. In dem Ort geht es zu wie beim Almabtrieb. Überall treten sich Pilger gegenseitig auf die Füsse: in der Bäckerei, im SPAR-Laden, am Dorfplatz.
Ich decke mich mit Proviant ein, "reisse" u.a. ein Doppelpack Milka-Nuss. Eine Tafel vertilge ich sogleich vor dem Laden. Zwei zufälligerweise neben mir stehenden Damen aus einer Pilgergruppe biete ich ein Stück an (was sie gerne annehmen). Als wir uns später nochmals auf der Strecke begegnen, rufen sie mir "Hey Monsineur Chocolat-Man" nach. Lustig.
Ich decke micht mit Barem ein und trinke einen Kaffee. Am Nachbartisch zwei Herren, die mich etwas verwirren. Bald scheinen sie sich auf Deutsch, dann wieder auf Französisch zu unterhalten. Was soll's, ich schaue zu, dass ich Land gewinne. Wer weiss, wie lange das Wetter hält.
Das Rätsel sollte sich bald lösen. Zunächst das gleiche Spiel wie vormittags. Ich rolle das Feld von hinten auf. Pinienwälder, Weiden. Als ich einen kurzen Halt einlege, um von Regen auf Sonne umzustellen, ziehen die Pilger aus dem Cafe an mir vorbei. Danach spielen wir ein wenig Katz und Maus (die beiden sind auch sehr flott unterwegs), bis dann ausser dem obligatorischen "bon route" ein Gespräch zwischen uns zustande kommt. Die letzten Kilometer nach Aumont-Aubrac bleiben wir zusammen. Meine Wandergesellen kommen aus Basel. Fernando, ursprünglich aus Madrid und Konstantin, Baseler Urgewächs. Konstantin fällt mir bald durch seine gewählte Ausdrucksweise auf. Er spricht Französisch, Spanisch und Deutsch (natürlich). Dass er Philologe ist, erklärt einiges. Fernandos Deutsch ist auch hervorragend. Da habe ich zwei Freunde der Sprachen aufgegabelt. Die beiden sind mir auf Anhieb sehr sympatisch. Schade, dass sie heute ihre letzte Etappe gehen und morgen die Heimreise antreten werden. Nächstes Jahr werden sie dann die nächste Etappe gehen und so fort, bis sie schliesslich in einigen Jahren in Santiago eintreffen werden. Gerne hätte ich mich länger mit ihnen ausgetauscht. Schneller und herzlicher Abschied an der Turisteninfo.
In Aumont-Aubrac ist die Hölle los. Hotels, Gites ausgebucht. Ich komme in der sehr einfachen Herberge der Kirche unter.
Das Haus ist voller junger Menschen. Sie spielen Karten, singen christliche Lieder. Nachdem ich mich frisch gemacht habe, schaue ich mich im Ort um. Es ist frisch, sobald die Sonne verschwunden ist. Ich muss mich warm anziehen. Aumont liegt auf 1050 m.
Das Internetterminal des Ortes steht im Supermarkt neben der Kasse. Skuril. Während ich schreibe, betreten Kunden den Laden, "Bonjour", "Bonsoir", dringt an mein Ohr, ein Kunde verströmt intensiven Uringestank (ich tippe mal auf Inkontinenz, puh, damit ist man aber auch gestraft), einen jungen Deutschen, der an der Kasse ansteht, frage ich auf die Schnelle, wie man Ratatouille schreibt, echt schräg.
In den Bauch kommt dann eine Pizza. Bon nuit.
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