Gegen 6 wache ich auf. War mal wieder eine unruhige Nacht. Zu hart. Ausserdem habe ich immer noch den ekligen Gestank in der Nase. Kurze Schnüffelprobe und es ist klar: die Isomatte hat etwas Aroma abbekommen. Rein in den Fluss damit - die erste Isomattenwaschung meines Lebens.
Ohne einen Bissen im Bauch (auch zum Provianteinkauf bin ich gestern nicht mehr gekommen) mache ich mich auf meinen Weg. Was bleibt, ist der Wunsch ans Universum, im nächsten etwas grösseren Ort Montpreveyres möge es einen Laden geben. Bis dahin sind es gut 3 Stunden, hinauf, hinab. Bisweilen eigenwillige Wegmarken,
schöne Landschaften
und Begleiter versüssen mir den Weg.
Glücklicherweise hat das Universum meinen Wunsch erhört und es gibt sie, die Versorgungsstelle. Ich kaufe ein und lasse mich an der Picknickecke vor dem Laden nieder. Sie kommt wie gerufen ohne bestellt zu sein, auch das gibt's. Der brummig-bärtige Typ mir gegenüber liest "Sonntagsblitz", raucht, und nimmt darüber hinaus keine Notiz von mir. Ich tue es ihm gleich.
Flotten Schrittes weiter nach Lousanne, überwiegend auf Teer. Einige Streckenabschnitte führen durch Wald: weiche und teilweise auch steile Pfade, Brücken über Bachläufe. Auf den letzten Kilometern vor Lousanne verläuft der Jakobsweg unweit einer stark befahrenen Strasse. Man hört den Verkehrslärm, was weniger schön ist. Oberhalb von Lousanne grüsst dann endlich die Kapelle St. Laurant. Hier öffnet sich erstmals der Blick auf den Genfer See und hinunter auf die Stadt. Sie liegt in greifbarer Nähe. Wenn das kein hübscher Platz zum Rasten ist.
Andreas aus Bern trifft kurz nach mir an der Kapelle ein. Schon vor etwa 2 Stunden hatten wir kurz miteinander gesprochen. Wir tauschen uns aus. Er wird in Lousanne das Schiff nach Rolle nehmen, so dass wir uns leider nicht mehr begegnen werden. Ich lege mich in die Wiese und geniesse die Aussicht. Meine zum Trocknen aufgestellte Isomatte wird vom Wind weggetragen, was mir ein Plus an Ab- und Wiederaufstieg beschert.
Auf geht's, die letzten 30 Minuten hinunter nach Lousanne wollen erwandert sein. Denkste! Wie immer brav der Markierung folgend, führt der Jakobsweg erst mal in einen waldreichen Hügel oberhalb von Lousanne. Bald habe ich die Orientierung verloren, steige anstatt ab immer weiter auf, schliesslich zu einer vierspurigen Strasse hoch und dann wieder hinunter in den Wald. Ich blicke nicht mehr durch, fluche, befürchte, mich immer weiter von der Stadt zu entfernen. Allein, ein Jogger, und später ein Senior bestätigen, dass dies der richtige Weg in die Stadt sei. Es zu glauben fällt mir schwer, aber ich tue es. Ich fühle mich ohnmächtig und erfahre, dass es manchmal ein verdammt schlechtes Gefühl macht, wenn man die Kontrolle verloren, bzw. den grossen Plan nicht hat (hier: Plan = Wanderkarte). Ich komme an einem Zoo vorbei und immer noch lichtet sich der Wald nicht. Doch dann, wiederum völlig unerwartet, die Belohnung: ein Turm, rein aus Holz, der einfach so bestiegen werden kann und einen wunderbaren Ausblick nach Lousanne gestattet.
Wow! Das musste ich mir aber verdienen. Manchmal ist es eben gut loszulassen, einfach zu vertrauen und neugierig zu sein auf das, was kommt. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung in die Stadt hinunter und zur Kathedrale, wo ich mir meinen wohl verdienten Stempel abhole.
Das Quartier für heute Nacht, ein Backpackershotel, ist auch gleich gefunden. Ich werde mit vier anderen zusammen in einem Zimmer mit Stockbetten schlafen. Na prima!
Italienisch Essen (Lousanne ist voller italienischer Restaurants; interessanterweise gab es die in den kleineren Orten der Zentralschweiz kaum), Stadtrundgang.
Fantastische Stadt, allerdings nur etwas für Gemsen und Ziegenböcke. Hier gibt es nämlich kein ebenes Flanieren. Immer schön bergauf, bergab. Irre. Schöne Menschen, schwarze Menschen, wohlduftende Damen (keine billigen Parfums!), Jugendstil, sehr lebendig. Gefällt mir sehr gut.
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