Sonntag, 17. August 2008

Lucy in the sky with diamonds, Von Seyssel nach Yenne (Mo 11.8)

Hallo Ihr, melde mich aus Bourge-Argental (departement Loire), wo es überraschender Weise ein Internetterminal gibt. Um 12:30 Uhr ist allerdings Schluss. Muss mich also wieder schicken.
Morgens blauer Himmel, später ziehen Wolken auf. Am Nachmittag dann heftiger Regen.
Gegen halbacht komme ich über den Marktplatz von Seyssel. Quirliges Treiben, Marktstände werden aufgebaut, ein Ladenbesitzer sortiert die Obstkisten vor seinem Lädle, im Cafe sitzen die ersten Gäste. Verlockend, aber nein, ich muss weiter, zuvor nur noch schnell Proviant besorgen.
Die ersten Kilometer an der Rhone entlang sind ziemlich langweilig. Nach der Mündung des Flusses "La Flier" in die Rhone gehts hinauf in die Weinberge und nach einigen Kilometern wieder hinunter. Jetzt wird es schon interessanter. Das nächste Teilstück dann wieder die Rhone entlang, aber diesmal wild romantisch, auf weichem, teilweise recht matschigem Weg.



Bald entlang eines Hains von Zitterpappeln, bald durch ein Blütenparadies mit vielen Schmetterlingen, bald an Büschen mit Riesenblättern vorbei.


Ich bin begeistert, hätte nicht gedacht, dass dieser Abschnitt so schön würde. Gegen Mittag fängt es dann zu regnen an. Erst zaghaft, dann in Strömen. Mist. Ich habe soeben den turistischen Ort Chanaz durchschritten (nette Bogenbrücke für Fussgänger, beliebt wegen dem See Lac du Bourget), als es so richtig loslegt.



Was soll's - einfach weiter nach Montagnin. Und wieder werde ich überrascht: gegen Drei ist's vorbei mit dem Regen, es klart auf, die Sonne kommt durch und ich kann die Schönheit der Umgebung schauen und geniessen. Inzwischen verläuft der Jakobsweg auf Höhe der Südspitze der westlich des Rhonetals liegenden Colombiere. - Ich hatte es geahnt (warum auch immer) und prompt passiert es. Im Weiler Vraisin verlaufe ich mich und gelange fälschlicher Weise absteigend in den Ort Lucy. Diesen Namen habe ich im Laufe des Nachmittags häufiger auf Hinweisschildern gelesen und so verwundert es nicht, dass er mich magisch angezogen hat. Hinzu kommt, dass ich seit der ersten Wahrnehmung den Song "Lucy in the sky with diamonds" im Ohr habe. Da stehe ich also in Lucy und vor der Entscheidung, direkt die Strasse entlang nach Yenne weiterzugehen - kurz und schmerzlos - oder den Versuch zu starten, den Jakobsweg wieder aufzunehmen. Ich entscheide mich für die schwere Variante (wie so oft in meinem Leben), was mir einen weiteren, langgezogenen Anstieg beschert. Was bin ich heute auf- und abgestiegen! Allein, es hat sich gelohnt. Die Aussicht von Jonglieux und etwas später von der Kapelle Saint Romain aus ist atemberaubend: Weinberge (hier wächst der Wein auf sehr kargem, steinigem Boden), Weiler, Zypressen!




Leben wie Herrgott in Frankreich kommt mir spontan in den Sinn. Von der Kapelle aus geht es dann steil und extrem ausgesetzt wieder hinunter zur Rhone und dann einige Kilometer den Fluss entlang bis nach Yenne. Hier steige ich im pilgerfreundlichen Hotel "Le Fer a Cheval" ab. Im Übernachtungspreis sind Abendessen (Fisch für den Vegetarier, sehr lecker!) und Frühstück enthalten. So pilgerfreundlich der Chef (und Koch) auch ist, so schweigsam ist er. Beim Abendessen stellt sich dann heraus, dass die beiden Schwaben Willi und Ralf, die ich am Genfer See schon getroffen hatte (Ihr erinnert Euch?), ebenfalls hier abgestiegen sind. Da habe ich sie also wieder. Lustigerweise erkenne ich die beiden zuerst gar nicht - so ohne Cap und mit silbernem Haar ;-) Und dann sitzen da noch zwei pilgernde Mädels zu Tische, Christine aus Biberach und Lisa aus München. Allzu viel wird heute Abend nicht geredet - alle sind platt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter,

nun geht es also über die Anstiege, die ich in deinem neuen Führer in Genf "bewundert" habe. Hier bei uns wird wieder Fahrrad gefahren und die höchsten Anstiege sind die Brücken!

Ganz liebe Grüße aus dem flachen Münsterland von
Peter und Dorothea

Anonym hat gesagt…

Hi Peter,

bin immer noch mit Dir auf Europareise. Ich hab jetzt schon mehrmals mit Vorfreude Le Puy gelesen. Solltest Du dort (oder noch besser in Mende, Lozere) einen Cafè au lait (oder einen Pastis ???) trinken dann geh ich mit Dir auf Zeitreise. Ich war vor ziemlich genau einem VIERTELJAHRHUNDERT (Anfang September 1983 (!!)) dort. Mein erster (und abgesehen von Paris) bisher einziger Frankreich-Aufenthalt. Obwohl ich viele Jahre später in der SZ erfahren musste dass dort "die Provinz am tiefsten ist" (Le Pen) haben mich Landschaft und die Menschen die ich kennenlernen durfte nachhaltig beeindruckt. Solltest Du auf dem Jakobsweg bereits Urlaubsansprüche erarbeitet haben dann kann ich Dir eine Kajakfahrt in den Gorges du Tarn nur empfehlen.

Gruß
Albert