Gefrühstückt wird allein im Wohnzimmer, während in der Küche Mutter und Tochter flüstern. Warum eigentlich? Mir wäre das zu blöd, in meinem eigenen Haus zu flüstern, weil nebenan ein Pilger sitzt.
Christine, die Wirtin, ist eine sehr zurückhaltende Person. Jede ihrer Handlungen, Fragen und Antworten werden von einem Lächeln begleitet. Freundlichkeit und Verlegenheit. Ich habe den Eindruck, dass sie froh ist, als der Fremde das Haus wieder verlassen hat. Irgendwo natürlich auch verständlich. Ein Abschiedsfoto vor dem Haus gibt es dennoch.
Die Strecke von Le Pin nach Grand Lamps (lustig!) ist schön. Auf und ab, durch Wald und Flur, vorbei an Pferdekoppeln, die es hier zuhauf gibt.
Waldidyll und Ruhe werden manchmal von Motorenlärm gestört: Quadfahren scheint in Frankreich ziemlich beliebt zu sein. Wer's mag.
Schöne Aussicht auf die Ebene "Plaine de Brievre". Anschliessend geht es langweilig durch ein Gletschertal, das ich auch morgen nicht verlassen werde. Ziemlich zersiedelt die Gegend hier, ein Weiler grenzt an den anderen. Jedes Anwesen wird von Kötern bewacht, die ihren Job bravorös tun. Keine Ahnung wie oft ich heute angekläfft worden bin. Auf die Dauer etwas nervig. Alarmanlagen und Köter, scheinbar haben die hier Wohnenden einiges zu schützen. In dem ein oder anderen Anwesen macht sich der Hausherr an der Hecke zu schaffen. Eine gepflegte Hecke ist für Franzosen wichtig - ich werde an meinen Nachbarn Marc erinnert. - Kurzer Plausch mit Seniorin Margit. Sie pilgert von Genf nach Le Puy. Das ist das letzte Puzzlestück. Dann hat sie die Strecke Genf - Santiago im Sack. 2005 hat sie mit dem Camino Francés begonnen. Es sind übrigens nicht wenige, die erst mal nach Santiago pilgern und sich dann später die Teilstrecken von der Haustür bis St. Pied de Port erwandern.
Heute fühle ich mich körperlich nicht fit. Ich habe leichtes Fieber, mein Rücken schmerzt. Von den Auswirkungen auf die Psyche ganz zu schweigen.
Die restlichen Kilometer nach La Cote-Saint-Andre sind nicht weiter aufregend. Leichtes auf und ab, an einigen kleineren Chateaus vorbei. Mein Unwohlsein nimmt im Laufe des Nachmittags zu. In St. Andre ist definitv Schluss.
An der Turisteninformation lasse ich mir eine Übernachtung vermitteln. Eine Art Ferienwohnung, in der ich kochen könne. Selbstkochen, das hatte ich bisher noch nicht. Um sechs würde mich die Gastgeberin abholen. Bis dahin gehe ich einkaufen und dann ins Web.
Als mich Cécile an der Turiinfo abholt (ihr Landhaus liegt etwas ausserhalb), laufen mir natürlich Willi und Ralf wieder über den Weg. Diesmal werden wir nicht im gleichen Etablissiment übernachten.
In dem Landhaus steht mir ein ganzes Appartment zur Verfügung. Das mit dem Selbstkochen war ein Missverständnis. Cécile lädt mich für 19.30 Uhr zum Abendessen ein. Ich gebe ihr den Teil meiner Einkäufe, den ich nicht mehr brauche. Nur die Zuchini will sie nicht haben, davon wüchsen genügend in ihrem Garten.
In was für eine liebe Familie es mich verschlagen hat! Onkel Peter zu Besuch, so in etwa werde ich ins Abendessen integriert. Am Tisch, die Eltern Cécil und Louis-Marie, und die beiden Kids Gabriel (9) und Lise (6). Auf dem Tisch steht eine Schüssel mit frisch geernteten Haselnüssen. Alle, mit Ausnahme von Cécil, die in der Küche kruscht, knacken Nüsse. Der Nussknacker geht rei um. Ein Ritual, das ich (mit Walnüssen) von zuhause sehr gut kenne. Ich unterhalte mich mit Louis-Marie, der recht gut Englisch spricht. Die Kinder machen sich einen Spass daraus, die englischen Wörter zu wiederholen. V.a. bei der kleinen Lise ist das nur zu komisch. Mein Gastgeber ist Sozialarbeiter. Er betreut Jugendliche, die Probleme im Elternhaus, mit Drogen haben, etc. Berge, das Meer und v.a. die drei Kinder (der Älteste ist zur Zeit bei den Grosseltern) sind seine Hobbys. Jede freie Minute verbringt er mit ihnen. Eine alternative Familie. Im Haushalt gibt es keinen Fernseher, statt dessen gehören 3 Schafe, etliche Hühner, Kaninchen, ein Hund und zwei Katzen zum Hof. Ein Spass mit den Kids, sagt Louis, sie lieben es. Die Kids sind sein Lebenselixier. Cécil tischt auf: Zuchinisuppe, Spinatauflauf, Gemüseeintopf, Käse und Gato (eine Art Schokokuchen) als Dessert. Sehr lecker. In ihrer Freizeit schreibt Cécil, die von Beruf Wirtschaftslehrerin ist, Gedichte. Ins Gästebuch hat sie einleitend eines geschrieben, das, soweit ich es verstanden habe, ein Loblied auf Kinder singt. Als sich die beiden Kids ins Bett verabschieden geben sie wie selbstverständlich Onkel Peter ein Gute-Nacht-Küsschen. Süss. Bis kurz vor 10 sitze ich mit Louis-Marie zusammen. Wir sprechen über Naturerlebnisse, in den Bergen, auf See. Wie klein der Mensch doch eigentlich sei, die Natur würde uns das bisweilen lehren. Über die gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich, die Politik Sarkozys zeigt er sich alles andere als glücklich. Hier bin ich bei Menschen, die der Hektik der Stadt entflohen sind.
2 Kommentare:
Salut le Franconien en France
Il n’y a pas de télévision dans cette maison? C’est certain?
Peut-être tes hôtes ont caché un téléviseur dans la cave ou sous les combles, pour avoir la possibilité de regarder chaque émission d’un match du championnat du monde de football, du moins.
Salut, le ex-Daleb
Lieber Peter,
was macht das Fieber? Gut auf den Körper hören, achtsam sein..
wünsche Dir gute Besserung!
Buen camino!
Thea
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