So, bin vor etwa einer Stunde in Figeac angekommen. Erster Eindruck, ein nettes Örtchen, das hübsch am Fluss Le Célé liegt. Werde mich nachher noch ein wenig umsehen. Ich war soeben mit Helmut und Sigrid aus Steyr (bei Linz) im Cafe gesessen. Nette Begegnung. Die beiden sind auch von der Haustür aus losgelaufen und haben schon ein paar Kilometer mehr auf dem Buckel. Ihr Ziel, natürlich, Santiago. Ich denke, wir werden uns noch öfter über den Weg laufen.
Heute ist übrigens Bergfest! Habe die 1300 Kilometerschwelle überschritten, nach Santiago sind's etwas weniger. Zurück zum Samstag.
Habe mit 3 anderen in einem Zimmer übernachtet, einem jungen Pärchen aus Frankreich und dem Senior Niko aus Holland. Von ihm hat Radio Camino schon viel berichtet. Niko ist unterwegs nach Lourdes. Da er Probleme mit dem Rücken hat, trägt er sein Gepäck nicht auf dem Rücken, sondern zieht es in einem Wagen hinter sich her. Der Wagen ist mit einem Hüftgurt an seinem Körper befestigt. Steile, steinige und schmale Wege umgeht er und nimmt die Strasse. In 21 Tagen will er in Lourdes ankommen, rechtzeitig zum Papstbesuch.
Kurz nach 6 schlüpfen Niko und ich aus dem Schlafsack, 30 Minuten später sind wir auf der Piste. Zwar ist er vor mir aufgebrochen, doch als ich von der Herberge hoch zur Hauptstrasse laufe, kommt er mir entgegen. Er hat seine Wanderstöcke vergessen. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Auch andere sind bisweilen durch den Wind ...
Im Glauben, Niko nie wieder zu sehen, verabschiede ich mich von ihm. Weit gefehlt! Als etwa eine Stunde später, hinter dem Weiler Lesbros, der Weg ein Stück die Landstrasse entlang führt, sehe ich schon aus der Ferne aus dem winzigen Bushäuschen am Strassenrand ein kleines Rad hinausragen. Das wird doch nicht ... Doch! Da sitzt Niko und macht Brotzeit. Die Strasse lang ist der Weg offensichtlich doch deutlich kürzer. Kurzes Pläuschchen und Tschüss!
Ich bleibe natürlich dem Jakobsweg treu. Das beschert mir etwa einen Kilometer später eine neue Erfahrung landwirtschaftlicher Art. Ich komme so meines Weges daher, als sich mir folgendes Bild bietet: einige Kühe versperren den Weg, andere, aufgeschäucht, springen über Stacheldrahtzaun hinweg, um zu ihren Artgenossen zu gelangen, bleiben dabei teilweise mit den Hinterläufen am Zaun hängen, was ihnen sicherlich nicht so richtig gut tut. Ein junger Bauer (kurz zuvor mit seinem VW Caddy an mir vorbeigefahren) bemüht sich redlich, die Tiere im Zaum zu halten, in die Koppel zurückzudrängen. Soll ich was tun? Ich zögere. Als der Bauer ein Zeichen gibt, greife ich ein, höre mich "Allez hop!" rufen und dränge, seine Aktion flankierend, mit ihm zusammen die Tiere in die Koppel. Voila, eine Minute später ist Ruhe im Kuhstall, respektive auf der Koppel. Mit einem "Merci" schickt der Bauer mich zurück auf den Jakobsweg.
Durch Pinienwald geht es weiter. Ein Duft von Pilzen liegt in der Luft. Pilze muss es hier viele geben, sonst würden die Leute sie nicht aus Holz schnitzen, bemalen und in ihre Gärten und Höfe stellen, denke ich mir.
Gegen Mittag erreiche ich Finieyrols und bin damit im Herzen des Aubrac, einer surreale Landschaft, die so ganz anders aussieht, als die Landstriche, durch die ich in den letzten Tagen gekommen bin. Eine Hochebene auf 1000 m - 1300 m, im östlichen Teil zunächst etwas sumpfig, dann trocken, steppenartig. Ausschliesslich Weideland. Wohin man auch blickt, Zäune und Weiden über sanft geschwungenen Hügeln, kaum ein Baum.
Auf den Weiden zufriedene Aubrac-Rinder, die satt auf der Weide liegen, wiederkäuen, den Pilger anstieren oder einfach nur fressen und sich dabei überhaupt nicht stören lassen. Aubrac-Rinder gelten als widerstandsfähig, haben ein hellbraunes bis honiggelbes Fell, lange Hörner und ausdrucksvolle Augen. Schön anzusehen die Halbtonner.
Beständig pfeift ein kräftiger Wind, was sich sehr kühl anfühlt, trotz des Sonnenscheins. Bis auf 1368 schraubt sich der Jakobsweg auf den höchsten Punkt der Via Podiensis hoch.
Der Himmel schickt mir Dominique und Michel. Gerade als ich den höchsten Punkt erreiche, beenden die beiden ihre Rast. Mit der Bitte, ein Foto von mir zu schiessen, wende ich mich an Michel.
So kommen wir ins Gespräch. Gemeinsam steigen wir den verbleibenden Kilometer in den Ort Aubrac hinab. Zum Abschied empfehlen sie mir wärmstens die Einkehr im Restaurant "Germain". Dort könne man hervorragenden Beerenkuchen essen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Eine kräftige Portion Kohlehydrate kann ich gut gebrauchen. Ja, und so kommt's dann auch. Das Kuchenstück ist riesig, Blau-, Johannis- und Himbeeren auf Hefeteig. Lecker!
Und der Kellner im "Germain", ein Garcon, wie er im Buche steht. Leicht unterkühlt, distinguiert, schwarzes Hemd, pfiffige Frisur (halblanges pechschwarzes Haar mit Seitenscheitel, der unablässig in die Augen fällt). An seiner linken Hand ist ein rundes Tablett festgewachsen.
Wie verschieden die Menschen doch sind. Während es der Mitarbeiterin in der Turiinfo in Aumont-Aubrac gestern sehr schwer fiel, auch nur ein Telefonat für mich zu führen (Zimmerreservierung), überschlägt sich die "Kollegin" im "Maison de l'Aubrac" vor Freundlichkeit. Bereitwillig tätigt sie zwei Anrufe für mich. So komme ich zu einem Bett im Gite d'etape Saint-Andre in Saint-Chely. Damit kann ich den 8 Kilometer langen Abstieg nach Saint-Chely beruhigt angehen. Es geht hinab und ich lasse die Märchenlandschaft des Aubrac hinter mir. Um halb Sieben, nach insgesamt knapp 12 Stunden, komme ich im Gite an. 43,5 km, ein langer Tag.
Roland empfängt mich freundlich und zeigt mir mein Zimmer. Zum Abendessen sitzen wir insgesamt 8 Gäste gemeinsam an einer langen Tafel. Ich geniesse es ein wenig, der Exot zu sein: der einzige Deutsche (alle anderen sind Franzosen), ein Langstreckenwanderer (die meisten gehen nur eine Woche) und dann ist da noch meine Tagesetappe von 43 km, die für Gesprächsstoff sorgt. Ich versuche den Unterhaltungen zu folgen, trage gebrochen Französisch bei, bisweilen übersetzt Dominique, der einzige am Tisch, der Englisch spricht. Es wird ein sehr geselliger und lustiger Abend. Irgendwie bin ich hier im Paradies gelandet. Schönes Zimmer, gepflegt, neu, mit viel Liebe eingerichtet. Ich habe es für mich allein, weil die anderen Gäste, die noch kommen sollten, abgesagt haben. Und dann stellt Roland auch noch seinen PC zur Verfügung. An dem sitze ich bis kurz vor Mitternacht, während alle anderen schon schlafen.
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4 Kommentare:
Hallo Peter!
Am besten gefiel mir:
"..zufriedene Aubrac-Rinder, die satt auf der Weide liegen, wiederkäuen, den Pilger anstieren oder einfach nur fressen.."
Ziemlich gefaehrlich das Pilgern...
Weiterhin viel Glueck!
Norbert
Sag mal, sagen Franken "Pilze"? Ich glaubs fast nird... :-)
Wünsch Dir weiterhin einen guten Weg!
Liebe Grüße
Thea
Hallo Peter,
habe heute von Deiner Reise erfahren ... das ist WIRKLICH mal was Anderes als COLIBRI :-) Viel Glück weiterhin!
Rolf
thank you your card from Santiago.
Congratulation for the 2584 km.
It was a real pleasure to meet you.
Sylvie and Roland
Gite Saint-André
Saint-chely d'Aubrac
randogitestandre@free.fr
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