Donnerstag, 7. August 2008

Spermium am Himmel, Von Autigny nach Moudon (So 3.8)

Soeben habe ich einen Kaffee mit Dorothea und Peter aus Münster geschlürft. Für die beiden ist die Pilgerschaft hier in Genf zu Ende. Morgen geht es mit dem Zug zurück nach Münster (wo's so flach ist, weil der liebe Gott mit dem Bügeleisen drübergefahren ist, wie's Dorothea eben ausdrückte). Na ja, dafür hat's da auch nicht so viel Sonne. Denn entweder es regnet oder es läuten die Glocken. So, jetzt habe ich die zwei heute gelernten wesentlichen Merkmale zu Münster wiedergegeben. Man sehe es mir nach. War jedenfalls ein netter Konakt mit den beiden. Wir hatten uns schon gestern in Coppet getroffen, doch sie wählten den See (bzw. das Schiff) und ich den Asphalt. Gute Heimfahrt.

Autigny. Es ist Sonntag. Da es erst ab halb 9 Frühstück gibt, habe ich Zeit für einen kurzen Dorfrundgang. Vor dem Portal der Kirche ein seltsames Erlebnis, das mir in der französichen Schweiz noch öfter begegnen wird: die Tür öffnet sich von selbst. Ich zucke zusammen. Mit so direkten Zeichen habe ich nun nicht gerechnet. Gut, auch dieses Phänomen klärt sich auf, in Form eines Schildes auf dem "Sistem automatique" geschrieben steht.
Frühstück mit Klarissa, bei dem zwei unterschiedliche Aspekte des Pokerspiels aufs Tapet kommen: Poker als Metapher fürs Leben (Peter) und Poker als Sucht (Klarissa). Klar, sie hat da schon einschlägige Erfahrung mit Klienten gemacht. Apropos Poker, während wir frühstücken, richten die Herren am Nachbartisch eine samtene Unterlage auf dem Wirtshaustisch her. Ab 9 Uhr wird hier gezockt! So ist's recht.
Eine halbe Stunde nach Klarissa mache ich mich auf den Weg. Keine Ahnung warum ich immer später loskomme, als meine Mitpilger. Bin wohl ein Trödler? Immerhin schon mal eine Selbsterkenntnis. Sei's drum. Die erste Teiletappe nach Romont ist wunderschön. Die Sonne scheint, nur wenige Quellwolken am Himmel, es weht ein leichtes Lüftchen. Bis Romont kaum Steigungen, erst kurz vor dem Ort zieht der Weg an. Romont liegt wunderschön auf einem erhabenen Sockel, einem sogenannten Drumlin, der während der letzten Eiszeit entstanden ist.



Gen Südosten blickt man im Vordergrund auf einen bunten Teppich aus Feldern und Wiesen, dahinter die Freiburger Alpen.



In der Stiftskirche Maria Himmelfahrt erklingt klassische Musik aus den Lautpsprechern. Ich verweile und erfreue mich an der Musik (u.a. ein Konzert für Klarinette von Beethoven).
Im einzigen Restaurant am Platze nehme ich Platz und bestelle einen "Gourmetsalat" mit Lachs. Gut. Später gesellt sich Klarissa hinzu. Sie war mir schon in der Kirche begegnet. Ich erzähle ihr von NLP und wie der "Practitioner" so ablief. Sie ist sehr interessiert. Über's NLP landen wir bei dem Thema Wahrnehmung und schliesslich bei der Synästhesie, worunter man grob gesprochen eine Gabe versteht, die manche Menschen haben (etwa einer unter 800). Sie verbinden Buchstaben mit Farben bzw. Wörter mit Bildern. Ich hatte letztes Jahr auf dem Symposium des Turms der Sinne zum ersten mal davon gehört. Und jetzt kommt's: Clarissa hat diese Gabe! Mit grossem Interesse lässt sie sich von mir wiedergeben, was ich von dem damaligen Vortrag noch behalten habe. Lustigerweise ist das Video, das ich damals mit dem Handy aufgenommen habe, noch gespeichert, und so kann ich sie hinein hören lassen. Wieder so ein Zufall.
Im Nu ist die Mittagspause vorüber. Gegen drei mache ich mich auf die Socken. Zunächst runter vom Sockel Romont und dann wieder langgezogen hinauf zu einem Sendemasten, einer singulären Anhöhe, von der aus man sehr schön zurück nach Romont blickt und ein letztes Mal zu den Freiburger Alpen - die Vergangenheit -



und im Westen zum Schloss in Lucens, wohin die Reise führt - die Zukunft.



Ich geniesse die Aussicht, verweile. Es weht ein kräftiger Wind. Vermutlich der Grund, weshalb mir die tibetanischen Gebetsfahnen im Himmalaya einfallen. Einer spontanen Eingebung folgend streife ich mein T-Shirt ab und halte es in den Wind. Jetzt weht auch hier eine Gebetsfahne.



Im Tal der Broye geht es dann bei fantastischem Spätnachmittagslicht nach Moudon, das in etwa einer Stunde erreicht ist.



Im Brunnen am Ortseingang schalte ich die Fusskühlung ein. Anschliessend kurzer Besuch in der Pfarrkirche St. Etienne. Viel mehr bekomme ich von dem Ort nicht mit, weil es hier, für mich völlig überraschend, ein Cybercafe gibt (ich berichtete). Als ich das Lokal nach zwei Radlern und etlichem Text verlasse dämmert es bereits. Mist, hab' noch kein Quartier. Ich beschliesse im Freien zu übernachten. Schnell noch hinauf in die Altstadt.



Unterwegs an einer Infotafel sehe ich Clarisse stehen, die ebenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit sucht. Sie hat ihr Handy am Ohr - am anderen Ende das Hotel - so wird es nur eine sehr kurze Begegnung.
Ein Picknickplatz direkt an der Broye lädt ein. Ich breite mich aus. Zur Ruhe gekommen merke ich, wie verpisst es hier stinkt. Nö, hier bleibe ich nicht. Packe Sack und Pack zusammen und ziehe an der Broye entlang, weiter dem Jakobsweg folgend, weiter, bis am Rande eines Maisfeldes ein verstecktes Plätzchen einlädt (soweit das im Zwielicht noch beurteilt werden kann). Versuch zwei klappt. Bald liege ich auf dem Rücken im Schlafsack und schaue hinauf in den absolut klaren Sternenhimmel. Auffallend hell, mit weissem Licht, leuchtet im Westen ein Planet. Verkehrsflugzeuge durchkreuzen wild das Firmament und schliesslich, im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel, zischt eine Sternschnuppe über mich hinweg, einen Schweif hinter sich herziehend, der dem Ganzen den Eindruck einer sich fortbewegenden Spermie gibt. Etwa 3 bis 4 Sekunden kann ich dem Objekt folgen bis es verglüht (also sehr lange!). In dieser Zeit durchfliegt der Schweif mein gesamtes Gesichtsfeld. Ein unvergessliches Erlebnis. So schön habe ich's noch nicht erlebt. Der Wunsch? Darf nicht verraten werden.

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