So, bin in Moudon angekommen. Nachher geht's noch ein Stünderl weiter. Die tolle Gelegenheit einen Beitrag günstig zu posten lasse ich mir nicht entgehen (4 SFr/Stunde, zum Vergleich, in Brienz hätte es 20 SFr/Stunde gekostet, irre oder?). Heute fast ausschliesslich auf Asphalt gelaufen. Hier in der Westschweiz wird's langweiliger. Kaum steile An-/Abstiege, die Alpengipfel rücken in die Ferne. Allein, der Zieleinlauf bei tief stehender Sonne das Flüsschen Broye enlang war schon sehr schön. Hab' ne Menge Fotos geschossen.
Ich habe ständig das Gefühl schon in Frankreich zu sein - wenn da nicht hin und wieder das Schweizer Kreuz wehen würde. Was die Sprache ausmacht.
Der Mittwoch. Frühstück mit den Thönis. Christine erzählt, dass Alberts Mutter aus Argentinien stammt. Schon wieder so ein Zufall. Erst gestern hatte ich Julia von meinen Reisen nach Südamerika erzählt und prompt kommt die Geschichte als Boomerang in Form einer Schwiegermutter zurück. Es ist nicht zu fassen. Buenos Aires, die Busfahrt nach Santiago (!) de Chile, der Gletscher Perito Moreno, die Schweizer Siedlung Bariloche am Ostrand der Anden, all das hatten Christine und Albert im Rahmen einer grossen Tour auch gesehen. Ich spüre, auch Orte können eine Verbundenheit herstellen.
Brienz ist immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht worden, zuletzt 2005. Albert schildert lebhaft wie es damals war. Das gesamte Erdgeschoss ihres Hauses stand unter Wasser. Der Ort zerfiel in drei voneinander abgeschnittene Teile, die nur mit dem Boot erreicht werden konnten.
Wieder so eine Familie, die aus dem Umbauen nicht herauskommt. Vor Jahren hatten sie den Stall umgebaut, dann nach dem Hochwasser das Erdgeschoss renoviert und schliesslich der aufwändige Umbau des Obergeschosses, das jetzt von ihnen bewohnt wird. Übrigens eine sehr gelungene Umgestaltung. Christine ist Architektin und man spürt, dass sie hier viele Ideen und Kreativität eingebracht hat. Offenes Wohnen, eine Küchenzeile die einem den Atem raubt. Eine etwa 30cm über dem Boden schwebende Schubladenzeile über die gesamte Breite des Raumes, darauf Arbeitsplatte, Spüle, etc. Über der Arbeitsplatte nicht die sonst üblichen Hängeschränke, sondern schmale Fenster, durch die man auf die nahen Berge blickt. Ach die Fenster! Nach Westen praktisch nur Glas, so dass man von überall im Wohn-Kochbereich den See im Blick hat. Viele Fenster, viel Licht ("das musste sein, weil die Sonne im Winter unser Tal nicht erblickt) und dazu die Farben Rot und Grau, Holz, sehr schön. Das erwartet man nicht, wenn man das schnuckelige Haus von aussen sieht.
Ach ja, die Welt steckt doch voller Überraschungen. Als wir zum Abschied die Zeche bezahlen wollen, verneint die Gastgeberin. Selbstverständlich seien wir eingeladen. Widerrede zwecklos. Christine und Albert, herzlichen Dank für die Gastfreundschaft. Que les vaya bien!
Abschied auch von Julia. Sie wird heute wieder ihre Freundin treffen und das Freilichtmuseum Ballenberg besuchen. Ein riesiges Areal, das wir gestern auf dem Weg nach Brienz teilweise durchwandert haben. Hier kann man u.a. traditionelle Häuser aus den verschiedenen Regionen der Schweiz besichtigen. Bestimmt sehr sehenswert.
Mein Weg führt mich zunächst durch Brienz, das ob seiner Lage am See sehr touristisch ist. Damit es mir nicht so wie gestern geht, decke ich mich im COOP mit Proviant ein, unter anderem mit einer Salatgurke ;-) Und da, ein Coifeur, mal sehen, ob die zufällig einen Termin frei haben. "Oh, heute ist alles voll, aber nächste Woche ...". Das war ja wohl ein Kalter, dann bleibt die Mähne eben noch drauf.
Wälder und Wiesen, im Aufgalopp am Nordufer des Brienzer Sees entlang. Die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite, ich schwitze wie verrückt. Angenehmer wird's nur, wenn's durch den Wald geht. Bisweilen gut 200 Meter über dem See tun sich fantastische Blicke auf dessen Türkis auf. Das Horn der Schaufelraddampfer schallt bisweilen in die Höhe hinauf.
Zum Nachmittag hin wird es dunkel, Wolken ziehen auf. Das Farbspiel auf dem See wird interessanter, dramatischer. Boote hinterlassen geschwungene Muster auf der Seeoberfläche, die sehr schön anzusehen sind.
Als ich Ringenberg, einen Vorort von Interlaken erreiche, beginnt es zu tröpfeln. Der Zufall will es, dass ich in Ringenberg an der Touristinformation vorbeikomme, wo mir eine hilfsbereite Mitarbeiterin im Nu eine Übernachtung besorgt. In einem idyllisch gelegenen Bauernhof (Schlafen im Stroh) am Rande von Interlaken, dort wo die Aare in den Brienzer See fliesst. Auf dem Weg dahin erwischt mich ein Wolkenbruch. Ich stelle mich unter das Vordach eines Hauses, schaue in Bindfäden und lausche dem Grollen. Im Dampf-Regengemisch ist die Siluette der sich an den Hang schmiegenden Häuser kaum mehr zu erkennen.
Frustrierend hier in der Fremde alleine unter dem Vordach eines Hauses zu stehen, dessen Bewohner man gar nicht kennt. Ich sag's Euch. - Aber auch das geht vorbei und ich setze meine Weg fort. Etwa 30 Minuten später komme ich am Bauernhof an, wo mich die freundliche Bäurin in die Räumlichkeiten einweist. Kurzer Schwumm im See zur Erfrischung, da jetzt wieder die Sonne scheint.
Wie schön es doch ist, bekannte Gesichter wieder zu treffen. Ich träume gerade auf meinem Strohballen vor mich hin, als die Tür aufgeht und Christian hereinschneit. Christian, der in Luzern lebende Östereicher, war mir bereits im Stroh von Flüeli-Ranft begegnet. Wir begrüssen uns überschwenglich, offensichtlich freuen wir beide uns darüber, dass der Zufall uns wieder zusammengebracht hat.
Die Bäuerin erweist sich als äusserst kompetent. Sofort kann sie mir zum Surfen das "Las Rocas" empfehlen. Sie beschreibt mir den Weg und leiht mir auch noch ihr "Velo" samt Beleuchtungsset und Nummernschloss. Oje, sicherheitshalber notiere ich die Nummer in der Handfläche. Ich finde die Frau toll. Sie kann spontan entscheiden, ohne gross Aufhebens drum zu machen, alles ist möglich. Wir liegen auf einer Wellenlänge.
Auf nach INTERlaken ins INTERnet. Erst ein Stück die Aare entlang, Abzweig ins Zentrum und dort erwischt es mich dann völlig unerwartet. Ich fahre gerade am imposanten Hotel Viktoria vorbei, blicke nach links in den Park und spüre wie mein Blick magisch nach oben gezogen wird. Und da ist sie dann, die Jungfrau, die Gletscher der Jungfrau. Im fahlen Licht der Dämmerung leuchtet das Gipfeldreieck zwischen zwei vorgelagerten Bergspitzen hervor. Muy impressionante! Nach der Erscheinung schwebe ich ins Las Rocas ein und blogge. Ein Windstoss druch's Lokal so gegen 10 deutet es schon an. Als ich mich um 11 auf den "Nachhauseweg" mache, schüttet es. Was soll's, ich radle durch den Regen zurück in den Stall, schleiche mich in den Schlafsack und schlafe mit dem beruhigenden Gedanken ein, dass jetzt so ziemlich alle meine Klamotten nass sind (einen Teil davon hatte ich nämlich von der Bäuerin waschen lassen; ja, auch das war für sie kein Problem). Und jetzt ist meine Zeit abgelaufen. Hasta pronto Peter
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3 Kommentare:
Hallo Peter!
Bin am Samstag auch gut in Fribourg angekommen. Aber wir haben von Tafers aus die linke Route genommen, sind also nicht der Jakobswegbeschilderung gefolgt. Du bist sicherlich den Pilgerweg gegangen, oder?
Unser Weg ging durch die Galternbachschlucht. Der Wanderführer hat nicht übertrieben: es war wirklich wildromantisch und abenteuerlich. Unterwegs traf man vereinzelt auf Gnomfratzen und fiese Hexengesichter, die dort in den Fels gehauen sind. Nicht kitschig bzw. auf Geisterbahnniveau, sondern zur Landschaft passend. Nach etwa einer Stunde hat sich das Rätsel am anderen Ende der Schlucht gelöst. Dort lebt und arbeitet nämlich ein Bildhauer. Dessen Anwesen ist total verwunschen und seine chaotische Werkstatt liegt direkt am Weg. Leider war er gerade nicht da, hätte sonst gerne bei der Arbeit zugeschaut. Zur Erholung für die Füße sind wir ein paar Meter durchs eiskalten Bachwasser gewatet. Erst so gegen 18 Uhr sind wir dann in Fribourg eingelaufen, da hast du wahrscheinlich schon längst an deinem Eintrag hier gefeilt :-)
Haben unterwegs einfach zu lange Pause gemacht. Aber die Kathedrale mit ihren Glasfenstern und den bemalten Decken der Seitenschiffe war wirklich der krönende Abschluss für meine kleine Wanderpilgerwoche.
Am Freitag habe ich Christian auf der Höhe von Riggisberg wieder getroffen. Seid ihr euch noch mal begegnet? Wir sind dann zu zweit weiter nach Mamishaus. Unterwegs sind wir in Rüeggisberg Bernhard und Ester beim Pausieren über den Weg gelaufen. Das Gespräch war abgefahren esoterisch. Naja und das Schlafen im Stroh wahrlich ein guter Treffer. Die Familie hatte zum Feiertagsbrunch 620 Gäste auf dem Hof bewirtet. Es gab Brot, Zopf, Röschti und und und - alles selbstgemacht. Wir wurden zum üppigen Resteessen eingeladen. Top! Zum Frühstück dann noch mal Reste, inklusive Birchermüsli. Irgendwann mitten in der Nacht habe ich dann in Illnau mein zweites Birchermüsli bekommen und musste erst mal ordentlich essen und erzählen, bevor ich schlafen gehen durfte :-) In Stuttgart angekommen habe ich auf dem Bahnhof total die Orientierung verloren. Wusste nicht einmal mehr die Nummer meiner S-Bahn. Verrückt, dass man das schon innerhalb einer Woche völlig verdrängen kann. Jetzt rattert die Waschmaschine und bald sind alle Klamotten gewaschen. Dann riecht nichts mehr nach Bauernhof bzw. nach Unterwegssein. Schade.
Dafür riecht es bei meinen Eltern in der Küche nach frisch gebackenem Brombeerkuchen. Auch nicht so schlecht, oder?!
Bei meinem Paps habe ich mich auch schon erkundigt: die "Mutter der Pilger" wohnt im letzten Ort vor den Pyrenäen. Er heißt "St. Jean Pied de Port". Wenn du viele Stempel vorzuweisen hast, dann schicken sie dich vom Pilgerbüro direkt zu ihr. Das mit den Stempeln dürfte für dich ja kein Problem sein :-)
Habe gerade nen Bericht über einen jungen Dirigenten mit Namen Jan Moritz Onken gesehen. Der wurde vom Goethe-Institut nach Kasachstan geschickt, um dort in Almaty ein Orchester aufzupolieren. Rate mal, was der seinen Musikern zum locker werden verordnet hat! Salsastunden :-)
So, dann wünsche ich dir einen spannenden, aufschlussreichen weiteren Weg mit vielen bereichernden Begegnungen und lustigen, sowie tiefsinnigen Momenten, Gedanken und Gesprächen.
Machs gut und grüße mir die anderen auf dem Weg!
Viele Grüße
Julia
Super Geschichte! Jetzt wird's abenteuerlich...
Hi Julia, Danke für Deinen ausführlichen und lebendigen Bericht. Hast ja noch einiges erlebt. Bin gespannt wie es mir nach der Rückkehr ergehen wird. Nach einer Woche vergisst man die Nummer der S-Bahn, nach 3 Monaten vermutlich den Wohnort und die Namen aller Menschen, die einem wichtig waren. Oje ...
Du liegst richtig. Ich habe den direkten Weg genommen und bin über Freiburg hinaus bis nach Autigny gewandert. Freiburg war mir zu turbulent. - Christian ist mir leider nicht mehr begegnet. Vielleicht meldet er sich ja mal hier zu Wort.
Liebe Grüsse und guten Start ins Studium
Peter
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