Samstag, 30. August 2008

Auf die Guten und die Frommen ... Von Conques nach Livinhac-le-Haut (Di 26.8)

Gegen halb Sechs rumpeln die ersten hoch. An Schlafen ist dann nicht mehr zu denken. Ich frage mich, was die so früh schon wollen? Sei's drum, habe mich schon daran gewöhnt, keine Nacht durchzuschlafen und bald aufzuwachen.



Einen Grossteil der heutigen Strecke laufe ich mit Stefan aus Fulda. Stefan, meine Altersklasse, ist am 1.8 in Fulda aufgebrochen, bis nach Strassburg gelaufen, dann mit dem Zug nach Le Puy weitergefahren und hat dort den Pilgerfaden wieder aufgenommen. Er wird bis nach Santiago gehen.


Der Unfallchirurg und alleinerziehende Vater ist ein aufgeweckter Zeitgenosse, der schon einiges erlebt hat und weiss, was er will. Stefan ist kein Kind von Traurigkeit und hat immer einen bibelnahen flotten Spruch auf der Lippe. Eine Kostprobe gefällig? "Selig die Langsamen, sie werden einst ankommen und Trampeltier genannt werden". Macht Spass mit ihm zu laufen und hat mir einige Impulse gegeben.


Im hässlichen Ort Decazeville trennen sich unsere Wege. Nach einem gemeinsamen Kaffee macht er sich auf den Weg nach Livinhac, während ich ins Cyber-Cafe abzweige. Zwei Stunden später mache ich mich auch auf die Weiterreise. Die 4 km nach Livinhac sind wenig spektakulär. Ich steige im Gite d'etape ab, mache mich frisch und gehen sodann hinunter zum einzigen Restaurant am Ort. Livinhac liegt zar nett am Lot, ist aber winzig. Im Lokal sind sie dann alle wieder da: Stefan, Marie-Elen, die beiden Schwäbinnen - Marina und Carolin - die heute morgen in Conques mit Stefan aufgebrochen waren, sich dann aber zurückfallen liessen, und weitere Pilger, die uns tagsüber immer wieder begegnet sind (3 Franzosen, eine Kanadierin). Wir sitzen alle zusammen an einer langen Tafel. Jeder isst das Menü, nur in unterschiedlicher Ausgestaltung. Die Bestellung läuft mit Handhochheben: Wieviele das Steak? Un, deux, trois, ... Wieviele den Fisch? ... usw. Es wird ein geselliger Abend, Stefan gibt einiges aus seinem Spruchrepertoire zum Besten. Marina und Carolin amüsieren sich v.a. über den hier: "Auf die Guten und die Frommen, lässt der Herr die Reste kommen." Weil der ihnen irgendwie nicht in den Kopf will, darf Stefan diesen Spruch in die Gebetsmühle stecken. - Die Gesamtrechnung teilen wir einfach durch die Anzahl der Pilger. Voila!


Wieder im Gite, komme ich zu für Pilger ungewöhnlich später Stunde (es ist nach Zehn!) mit dem Bewährungshelfer Matthias aus Bochum ins Gespräch. Matthias ist knapp eine Woche nach mir in der Schweiz losgelaufen und hat mich mittlerweile eingeholt. Wow! Er ist flott unterwegs, u.a. weil er bis 19.9 in Burgos sein muss. Im Mai diesen Jahres ist er bereits von Sevilla via Santiago bis nach Burgos gegangen. Mit der aktuellen Pilgerreise macht er den Weg sozusagen komplett.

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