Mittwoch, 20. August 2008

Music is my life, Von La Cote-Saint-Andre nach Clonas (Fr 15.8)

Hi Leute, bin in Le Puy, wunderbares Städtchen, alter Wallfahrtsort. Heute morgen in der Messe gewesen, da wurden wir Pilger gesegnet. Schönes Ritual. Der Pfarrer versammelt im Anschluss an die Messe die anwesenden Pilger um eine Jakobsskulptur und fragt in die Runde: woher, wohin? Ca. 50 Pilger haben sich eingefunden, die meisten davon Franzosen, die "exotischsten" Kanadier und Australier (watch out John!). Mit der Einsamkeit dürfte es jetzt vorbei sein. - Ich war bei vergangenem Freitag stehen geblieben.

Dicke Wolkendecke, oje, heute wird es feucht. Dauerregen mit vielen, wenn auch kurzen Trockenpausen, bisweilen Sonnenschein. Ich trotze dem Regen, laufe den ganzen Tag durch und absolviere 42 km, eine meiner längsten Etappen!
Das Frühstück in meiner "Familie" ist so herzlich wie das gestrige Abendessen. Tee, Kuchen, Brot, Marmelade und Nutella. Das letzteres auf dem Tisch stehen würde ahnte ich schon, als Gabriel mir die Tür öffnete. Ein Schokoladenmund grinste mich an, "Bonjour Peter". Simultan zum Frühstück Erdkundeunterricht. Louis-Marie hat einen Atlas herbeigeschafft und zeigt seinem Sohn, wo Nürnberg liegt. Der Pilger hingegen lernt, wo das Kloster Saint-Michele einzusortieren ist. Die kleine Lise setzt sich später, noch ganz verschlafen, mit an den Tisch. Zum knuddeln. Und schon geht es wieder los mit dem Nüsseknacken. Gabriel gibt mir nachher eine Tüte Nüsse mit auf den Weg. Ich bin gerührt, schenke ihm und seiner Schwester einen Kugelschreiber. na ja, was man als Pilger halt so im Gepäck hat. Immerhin leuchten die Kulis giftig grün. Am liebsten würde ich die beiden mit nach Hause nehmen, doch da hätte der Papa sicherlich was dagegen.


Herzlicher Abschied. Gabriel verspricht, mir mit dem Kuli eine Karte zu schreiben. Cécile bringt mich zur Touristeninfo nach Saint-Andre, dort hatte sie mich gestern aufgegabelt.
Kaum laufe ich los, fängt es auch schon zu regnen an. Mich stört das nicht. Heute fühle ich mich wieder fit. Festmahl und v.a. die Suppe gestern Abend haben mich geheilt und mir wieder Kraft gegeben. Apropos Suppe: Cécile hat mir zum Abschied 'nen halben Liter in eine Plastikflasche abgefüllt und mit auf den Weg gegeben.
Um mich bei dem Regen etwas zu motivieren, stecke ich mir Knöpfe ins Ohr. Will heute mal sehen, wie sich Pilgern und Musikhören vertragen, wie sich das anfühlt. Anders. Die Wahrnehmung ist eingeschränkt. Bei manchem Stück bewege ich mich - schön im Beat, versteht sich - tanzend. Macht Spass, ist echt Klasse! Ich fühle mich tief bei mir, bin emotional stark berührt. Am frühen Nachmittag, der Ort Revel-Tourdan liegt gerade hinter mir, habe soeben eine TGV-Trasse gequert, führt der Camino zu einer Anhöhe hinauf. Es regnet gerade mal nicht, die Sonne kommt verschiedentlich durch und ich kann sowohl im Süden wie im Norden in die Ferne zu Weilern, über Felder blicken. Ein heftiger Wind wirbelt um mein Gesicht, durch mein Haar, pfeifte mir durchs Ohr, wenn da nicht schon "Aicha" von Khaled drin wäre. Ein herrlicher Moment. Ich singe, schreie vor Freude.


Regen, bisserl Sonne, Regen, bisserl Sonne - Regenjacke an, Regenjacke aus, usw., so sieht der Nachmittag aus. Werde einige Male richtig schön eingetaucht, mal wieder. Glücklicherweise funktioniert auch der Trockner, ein ständig blasender, zeitweise heftig aufböender Wind.
Viele, längere Abschnitte führen auf meist weichen Wegen durch Wald, bisweilen mit faustgrossen und grösseren Findlingen durchwebt. Darauf ist dann weniger angenehmes Laufen. Das Licht ist fantastisch. Wenn es der Sonne gelingt sich einen Weg durch die Wolkendecke zu bahnen, entstehen grandiose Bilder. Den Auslöser meiner Kamera drücke ich sehr oft.
Willi und Ralf, die auch heute vor mir aufgebrochen sind, hole ich zur Mittagsrast ein. Mit von der Partie Günter, den ich heute kennenlerne. Wir essen zusammen. - Später ziehe ich an ihnen vorbei. Werde das Dreamteam aus Stuttgart wohl nicht wieder sehen, weil für die beiden am Wochenende Schluss ist. Ist vielleich auch besser so, sonst komme ich noch als Schwabe nach Hause. Keiner versteht mich mehr, weil ich schwäbisch schwätzet. - In Assieu angekommen habe ich bereits 38 km hinter mir. Mag nicht mehr so recht, doch leider erweist sich der Konakt, den mir Cécil aus einem Pilgerbuch herausgeschrieben hat, als wenig ergiebig. In dem 5-minütigen Telefonat kommt nur raus, das es im nächsten Ort Clonas Betten gibt. Na, das wusste ich schon vorher.
Also hänge ich die 5 km nach Clonas auch noch dran. Weitere 2 bis 3 Regengüsse. Was soll's, die machen das Kraut auch nicht mehr fett. Jetzt wandere ich bereits auf das Rhonetal zu und überquere die Aorta der Cote d'Azur, die Autobahn A7 von Lyon nach Marseille. Eine nicht versiegende Blechlawine ergiesst sich auf ihr von Norden zum Mittelmehr - und zurück. Das sensationelle Abendlicht, der Regenbogen (mit Nebenbogen) lohnen die Strapaze.




Pilgern ist schön! Ich lande schliesslich an einem Campingplatz an der Bundesstrasse N7, wo mir eine Etepetete Seniorin einen Wohnwagen zur Übernachtung anbietet. Warum nicht? Mal was anderes.

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