Freitag, 29. August 2008

Separets in der Kapelle, Von Saint-Chely d'Aubrac nach Estiang (So, 24.8)

Frühstück, Computer und um 10 geht's los. Heute scheint die Sonne, keine Wolke am Himmel. Zunächst laufe ich steil hinab nach Saint-Come d'Olt. Etwas schwermütig sage ich zu mir "Tschüss Aubrac". Diese Landschaft werde ich so schnell nicht vergessen. Allein, Peter, nach vorne schauen. Auf den nächsten Etappen wird mich der Fluss Lot begleiten. Ist doch auch was.
Beim Abstieg nach Saint-Come komme ich mit Cécile aus Clermont Ferrand ins Gespräch.


Sie ist mit den Freundinnen Fanny und Bernadette 5 Tage lang auf dem Jakobsweg unterwegs. Alle drei sind Lehrerinnen (Spanisch und Englisch). Ich wage die Unterhaltung trotzdem. Irgendwie ist es lustig, mit einer Französin auf Spanisch zu quatschen. Ich nutze die Gelegenheit und wiederhole mit Cécile das heute beim Frühstück Gelernte "Freut mich sie kennen zu lernen" und lasse sie das Verb für haben "avoir" konjugieren. Das hätte ich in den letzten Tagen oft brauchen können. Nach etwa 30 Minuten ist's dann aber auch gut. Cécile ist verbal in Fahrt gekommen, nicht mehr zu bremsen. Ihr Garten, Ihr Enkel, Ihr Sohn, Ihre Reisen nach Südamerika - 'ne halbe Stunde mehr, und ich hätte ihre Biographie schreiben können. Wie so oft, schickt mir auch diesmal der Zufall die Lösung in Form einer kleinen Hütte, in der warme Getränke und Knabbereien für Pilger vorgehalten werden. Die drei machen hier Rast, ich ziehe nach dem obligatorischen Erinnerungsfoto weiter.


Irgendwie habe ich es mit den Kühen. Wenige Minuten nach meiner Entlassung in die Ferien, fehlt nicht viel, und ich habe eine Rehkuh im Gesicht, und ihr Kitz obendrein. Die Gute hat mich vermutlich nicht den Pfad hinunter steigen sehen und war im Begriff, meinen Weg zu kreuzen. Das arme Tier erschreckt sich zu Tode, als es mich sieht, macht noch im Sprung eine 180 Grad Kehre, verschwindet samt Jungem im Gebüsch und lässt mich mit offenem Mund stehen. Danke für die Vorstellung!
Saint-Come d'Olt liegt recht hübsch am Flüsschen Lot.

Der Ort gehört dem Club der schönsten Dörfer Frankreichs an. Das steht zumindest auf einer Infotafel, vermutlich das französische Pendant zu unserem "Unser Dorf soll schöner werden".
Der Lot wird mir die nächsten Tage noch häufiger begegnen.



Die anderen beiden Stationen des heutigen Tages, Espalion (gut erhaltene "Eglise de Perse" aus dem 11 Jh., bunte Deckenmalereien, Tympanon) und Estiang liegen auch am Lot.


Blickfang in den beiden Orten sind die gotischen Brücken über den Lot, aus Stein, wie alles hier.


Die Mauern aus Stein, die Dächer aus Schiefer. Steinmauern, davon werde ich noch viele zu sehen bekommen. V.a. morgens und abends begeistern sie mich, die Farben leuchten dann im Licht der tiefstehenden Sonne.



Wenn dann noch ein Strauch oder ein bisschen Gras rauswächst oder ein gelbe Blüte ...
Leider führt der Jakobsweg nicht brav den Fluss entlang, nein, nein, es geht immer schön hinauf und wieder hinunter. Schweisstreibend, aber lohnend: schöne Landschaftsbilder am späten Nachmittag und völlig unerwartet die Entdeckung der Perle Verrières.


Ein Weiler zum Verlieben. Ein Haus schöner als das andere, schnucklig, gepflegt. Im Licht der tiefstehenden Sonne erdfarben schimmernde Hausmauern, das Farbspektrum weidlich ausnutzend. Sollte ich nochmal in diese Ecke kommen, Verriéres und Estiang sind ein Muss.
Kurz vor Acht marschiere ich über die gotische Brücke in Estiang ein.





Wie im Wanderführer beschrieben, sitzt im Cafe du Chateau ein Typ, der mir für 8,10 € einen Schlüssel zum Gite d'etape in die Hand drückt. Na prima! Das Bett ist gesichert, also bleibe ich gleich im Lokal und schlage mir den Bauch voll, u.a. mit Aligot, einer regionalen Spezialität, einem Brei aus Kartoffeln, Käse und Knoblauch. Trifft natürlich voll meinen Geschmack, ich als Breispezi. Dazu Bier und Wein, heute lasse ich es krachen, waren ja immerhin 32 km.
Um Zehn mache ich mich auf den Weg zur Herberge. Inzwischen ist es empfindlich kühl geworden. Verschwitzt und immer noch im Kurzarm- bzw. Kurzbeinoutfit fröstelt es mich. In der Dunkelheit finde ich das Gite nicht gleich, doch dann verstehe ich: die Herberge ist in der Kapelle! Ich schliesse auf, betrete einen Raum, der sich als Küche herausstellt. Die Schlafräume sind im ersten Stock. Auf leisen Sohlen schleiche ich die Treppe hinauf. Stille, fast ein wenig unheimlich. Im Schein der orangenen Notbeleuchtung sehe ich mich vor einem langen Gang wieder, der fast die gesamte Länge der Kapelle durchmisst, ein Fenster an dessen Ende. Links und rechts des Ganges, durch Stellwände abgetrennt, Separets mit jeweils zwei Betten darin und zum Gang hin einem Vorhang als Sichtschutz. Am Stirnende, unter dem Fenster, sehe ich weitere Betten stehen. Ich laufe den Gang nach hinten Richtung Fenster - unheimlich wegen Dunkelheit und Stille - und blicke dabei in die Separets. Keine der Betten ist belegt! Welch eine Überraschung. Erst als ich wieder vorne anlange, fällt mir auf, das "Zelle" Nr.1 belegt ist. Dieser Vorhang ist nämlich zugezogen. Ich richte mein Nachtlager gegenüber ein.

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