Samstag, 30. August 2008

Die letzten Prämonstratenzer, Von Estiang nach Conques (Mo 25.8)

Marie-Elen aus Saint-Etienne war es, die in der Zelle gegenüber übernachtet hat. Wir treffen uns kurz bei unserer Morgentoilette und anschliessend im Cafe du Chateau, wo wir den Gite-Schlüssel wieder abgeben und zusammen frühstücken.
Die heutige Etappe beginnt am Lot. Einige Minuten geht es den Fluss entlang. Bald vorbei an Eichen, Buchen, Kastanien und Pinien hinauf nach Golinhac. Efeu würgt so manchen Baum, Moos kleidet Bollern am Wegesrand in Samt. In einem Weiler helfen zwei Alte beim Holz abladen zusammen. Nett anzusehen.


In Golinhac kommt mir der Schweizer Frederico entgegen. Feist, freier Oberkörper, dicker Rucksack auf dem Rücken, kräftige Stimme. Der Ort kann seinen Ausführungen locker folgen. Frederico ist in Sevilla los gelaufen, auf dem sogn. "Camino de la plata" und ist auf dem Weg nach Hause. Seit Jahren schon wandert er Langstrecke. Den hat's erwischt. Zum Abschied erzählt er mir schnell noch die Geschichte ("muss ich Dir unbedingt erzählen") von einem Nürnberger Buchhändlerehepaar, dem er letztes Jahr auf dem Brünigpass den Kinderwagen geschoben hat. Mit 2 Kindern auf dem Camino - auch 'ne Herausforderung.


Schmetterlinge treiben ihr Spiel mit mir: "Fotografiere mich!", doch kaum greife ich zur Kamera, flattern sie auch schon weg, diese flatterhaften Wesen. Ich sag's Euch, so ein Schmetterling ist zwar wunderschön anzusehen, aber Entscheidungsfreude gehört nicht zu seinen Stärken. Bis der sich auf einer Blüte niederlässt, bin ich schon längst weiter. Dann doch lieber Schmetterlinge im Bauch.


Sieht ganz danach aus, als hätte ich den Massenpilgerstrom hinter mir. Seit gestern ist wieder deutlich weniger los. Marie-Elen treffe ich gegen Mittag kurz vor Sénergues noch mal. Da macht sie gerade Rast. Kurzer Plausch, dann immer schön den Esskastanien nach weiter.



In Sénergues stärke ich mich mit einem Cafe au lait, bevor die letzte Etappe nach Conques ruft. Gerade im Begriff die Bar zu verlassen, laufen mir Inge und Arnold aus Säckingen am Bodensee über den Weg. Sie schwärmen mir von Conques vor, was meine Vorfreude weiter in die Höhe treibt. Wir kommen ins Plaudern und landen schliesslich bei einem Meilenstein Deutscher Literaturveröffentlichungen. Der erste deutsche Bestseller (Anfang des letzten Jahrhunderts veröffentlicht) spielt in Säckingen ("Der Trompeter aus Säckingen"), dem Ort, in dem das nette Rentnerehepaar lebt. Neben der Biberacher Eselsatire wenn man so will das zweite literarische Fundstück auf meiner Pilgerreise. Laut Arnold sollt der Streit um des Esels Schatten schon bei Perikles vorkommen. Da haben die Biberacher vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen.
Die Etappe nach Conques ist herrlich. Immer schön auf etwa 600 m geniesse ich den Ausblick in fernliegende Waldflächen, Taleinschnitte, Höfe. Kühe (und einige Bullen) - jetzt in Schwarzweiss - dürfen selbstredend nicht fehlen.
Conques (lat. Muschelschale), liegt sehr malerisch in einer dicht bewaldeten, engen Schlucht am Fluss Ouche.


Ist auch heute noch eine bedeutende Pilgerstädte ("Perle der Via Podiensis"). Viele Franzosen gehen das Stück von Le Puy nach Conques. Wahrzeichen ist die hübsche romanische Kirche, die Eglise Sainte-Foy, aus dem 11./12. Jh. Mangels Platz in der engen Schlucht wurde die Kirche in die Höhe gebaut (hohe Säulengänge, Emporen). Am Abend wird eine Messe zelebriert. Die Lieder werden am Flügel(!) begleitet, und schliesslich folgt die Segnung der Pilger. Um halb Zehn wird ein improvisiert wirkendes, modern angehauchtes Orgel-Saxophon Konzert gegeben.
Gerade mal vier Prämonstratenzer Chorherren (das mit den Herren habe ich von Stefan, von dem später noch die Rede sein wird, gelernt) halten den Laden emsig am Laufen, Pilger und Turisten (die es hier auch zuhauf gibt) bei Laune. Mehrsprachige Eucharistie, Führung durch die Kirche, Erläuterung des Tympanons im Hauptportal, über das laut Stefan ganze Bücher geschrieben worden sind. Letzteres sehe ich mir beim Abendessen vom Restaurant aus an, das gegenüber dem Kirchenportal Tische auf der Place stehen hat.



Der Charme Conques' rührt u.a. daher, dass es oberhalb des Flusses (über den eine Brücke aus dem 14. Jh. führt) in den Hang gewachsen ist. Enge Gässchen, von denen die meisten Fussgängern vorbehalten sind. Und natürlich auch hier wieder diese schönen Steinmäuerchen. Wie bei einem Puzzle scheint jeder Stein genau seinen Platz gefunden zu haben. Und die Farben! Anthrazit, Braun, Rot, Gelb, Grau usf., ein Leuchten kurz vor Sonnenuntergang.


Die Dächer, Schiefer, zum First hin geschwungen, ganz typisch für die Region. Eine Art Rothenburg Frankreichs.
Geschlafen wird im Gite d'etape, das mässig belegt ist. Mir soll's Recht sein. Das System: 10 € in einen Briefumschlag stecken, Name drauf, und dann ab in den Schlitz des Tresors (ein ähnliches System wie es uns seinerzeit in den Nationalparks im Westen der USA begegnet ist: "the envelope").

Keine Kommentare: