Nicht nur das Zimmer ist bei Frau Nydegger toll, sondern auch das Frühstück. Da stört es den Deutschen auch gar nicht, dass das mit dem Müsli ja gar nichts für Schweizer sei. Die bräuchten frühmorgens ihr Marmeladebrot. Sollen sie. - Im Treppenhaus der Nydeggers hängt eine Art Ahnengalerie der Gewehre. Übereinander sind da von der Flinte des Urgrossvaters bis zum modernen Gewehr des Hausherren einige Büchsen fein säuberlich angebracht. Stimmt, wir sind ja in der Schweiz. Und da nimmt man die Büchse bekanntermassen mit nach Hause. Ich schiesse Abschiedsfotos von Mark, Nydeggers und ihren Gewehren.
Etwa eine halbe Stunde nach Mark mache ich mich auf den Weg, zunächst in den Ort, um mich mit Proviant einzudecken. Es ist 10 vor 9, als ich in Amaras Friseursalon vorbeischaue - vielleicht habe ich ja heute Glück. Oje, um 9 Uhr komme schon die nächste Kundin, das sei zu knapp. Ach was, das bekommen sie doch hin - und schon sitze ich auf dem Stuhl. Und in der Tat, innerhalb von 10 Minuten verpasst mir die Friseuse einen astreinen Kurzhaarschnitt, der dann auch nur schlappe 35 Franken kostet. Ich sag's Euch, in der Schweiz, da ist Service noch was Wert! Trotz der Kürze des Unterfangens bleibt uns Zeit für einen Plausch. Dabei stellt sich mal wieder heraus, wie klein doch die Welt ist. Amara ist aktiv im Hundeschlittengeschäft, nimmt an Welt- und Europameisterschaften teil und kennt Schönberg (wo, wie die Insider wissen, alljährlich "Hundewagenmeisterschaften" stattfinden).
Überwiegend auf Teer geht es zunächst weiter nach Tafers. Ich nehme mir Zeit, die St. Jakobskapelle in Tafers zu besuchen. Um den Eingang zur Kapelle hat Jakob Stoll die Legende um das Galgenwunder bildlich illustriert,
und das geht in Steno so: böser Wirt zichtigt Pilger (Vater und Sohn) des Raubs (weil der Sohn die Wirtstochter verschmäht hat und lieber weiter nach Santiago pilgern will), der Sohn wird gehängt, Vater klagt in Santiago dem Hl. Jakob sein Leid und wieder zurück dann einem Richter, der's nicht glaubt und spricht 'ebensowenig wie diese Hühner am Spiess wieder fliegen werden, ist Eure Geschichte wahr' - und dann fiegen die Hühner davon, der Sohn wird lebendig vom Galgen geholt, wohin statt seiner der Wirt geführt wird (gscheid recht geschieht ihm des) - kennt ihr, oder? Sei's drum, aussen also die Geschichte und innen in der Kapelle erwischt mich dann dieses Zitat von Albert Schweitzer: Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt. Wie wahr, wie wahr. Das hat ja auch schon der Typ, der nach Alaska in die Einsamkeit zog und dort an giftigen Beeren zugrunde ging, erkannt - leider zu spät ("Into the Wild" jüngst verfilmt von Sean Penn, ich schweife ab).
Von Tafers nach Freiburg (bzw. Fribourg). Ich bin in der Westschweiz angekommen, von nun an geht's Französisch weiter. Oje. Freiburg mag zwar ein schönes Städtchen sein (schön in einer Doppelschleife der Saane gelegen, mittelalterlicher Kern, viele alte Brunnen und Brücken),
mich frustriert es, weil die Stadt anscheinend keinen Draht zur Welt hat. In der Shoppingmall herrscht kaufrausch, nichts für einen aus der Walachei kommenden Pilger. Wie bereits berichtet, stolpere ich in einen Computerladen, der von zwei netten Jungs betrieben wird. Die helfen ohne Umschweife, stellen mir einen Rechner zur Verfügung. So komme ich doch noch an den Draht ... Merke: Egal wie schlecht es Dir geht, es kommt immer ein Licht am Ende des Tunnels. Das versöhnt.
Die Strecke von Freiburg nach Autigny ist sehr schön. Wälder, Hohlwege, Abwechslung. Autigny liegt am Ende eines leicht ansteigenden Bergzuges. In der Auberge de L'Ecu beziehe ich ein Zimmer. Ich bin nicht der einzige Wanderer, der hier abgestiegen ist. Klarissa ist meine Zimmernachbarin. Wir essen gemeinsam zu Abend und tauschen uns aus. Die Psychologin lebt in der Nähe von Lindau und liebt die Schweiz, weshalb sie gerne zum Wandern hierher kommt. Letztes Jahr ist sie vom Bodensee nach Thun gewandert, heuer schwebt ihr die Etappe nach Genf vor.
Als sie sich zurückzieht bleibe ich noch eine zeitlang sitzen, geniesse die Atmosphäre in dem Lokal, lausche dem Stimmengewirr an den Nachbartischen (ohne etwas zu verstehen), klopfe mit den Fingern den Beat zur relativ lauten Musik (guuuut): Songs aus den 70igern und 80igern, ein Hit nach dem anderen. Klasse! Irgendwann ziehen mich die immerhin fast 40km von heute doch ins Bett (meine bisher längste Etappe).
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2 Kommentare:
Hi Pilger,
stimmt doch gar nicht! Deine laengste Etappe war doch 42,195 km, oder?
;-)
Norbert
Und zur Legende mit den Hühnern gibts dann in Santo Domingo de la Calzada noch "zum Beweis" die lebenden Hühner in der Kathedrale.. (allerdings dürfen die nach 14 Tagen wieder ans Tageslicht im Wechsel mit neuen Hühnern). Und es heißt: wenn man die Kirche betritt und der Hahn kräht, dann weiß man als Pilger, dass man auch tatsächlich in Santiago ankommen wird...
Aber bis dahin ist es ja noch ein Stück zu gehen..
Liebe Grüße
Thea
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