Als Pilger kann man so richtig reinhauen. Ein ganzes Baguette zum Frühstück, ein Croisant, alle Marmeladedöschen, alle Butterquaderchen, alle, alles, ratzeputz weg. Pat Problem. Bleibt nachher alles auf der Strecke. Nicht so wie bei den Herrschaften am Nachbartisch, die ein halbes Baguette im Körbchen stehen lassen.
Ich bezahle und halte ein kleines Pläschchen mit der netten Kellnerin. Die Pilger, die sie im Hotel erlebe, sähen immer so glücklich aus, meint sie. Deshalb werde sie sich eines Tages auch auf den Weg machen (vielleicht liegt's an der netten Atmosphäre und nicht am Pilgern - hab' ich natürlich nicht gesagt).
Stempel ins Pilgerbuch und los geht's. Von wegen - bleibe bis Mittag am Laptop in der Turiinfo hängen.
Am Ortsausgang von Montfaucon eine Bauerndisco. "Le Ché".
Wenn der kubanische Revolutionär wüsste, wofür sein Konterfei alles herhalten muss - er würde sich im Grabe umdrehen. Che Guevara ist schon lange keine historische Figur mehr, sondern ein Logo, ein Label.
Ein, zwei Kilometer weiter spielen das Postauto und ich Katz und Maus. Das hatte ich in der Schweiz auch schon mal erlebt. Freundlich grüsst der Postbote. Bin bestimmt nicht der erste Pilger, der ihm auf der Strecke begegnet. Mir fällt der Roman "Mit brennender Geduld" von Antonio Skarmeta ein (verfilmt als "Il Postino"), der die Geschichte eines jungen Postboten erzählt, der den auf Isla Negra lebenden Schriftsteller Pablo Neruda mit der täglichen Post versorgt. Es wird erzählt, wie sich eine Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und dem Postboten entwickelt, wie der Junge sich unsterblich in die bildhübsche Wirtstochter verliebt und wie Pablo ihm schliesslich hilft, sie zu bekommen. Ein tolles Buch!
Heute geht's bei strahlend blauem Himmel wie gestern durch's "Voralpenland" via Tence nach Saint-Jeures.
Vor Tence komme ich an einer Himbeerplantage vorbei.
Mal was anderes als Wein und Äpfel. Dicke und leckere Beeren hängen an den Sträuchern. Den ganzen Tag über weht ein kräftiger, bisweilen aufböender Wind. Manchmal fröstle ich trotz der 22-24 Grad, die heute herrschen. Am Ortsausgang von Tence, direkt am Fluss Lignon, komme ich an einer Gruppe überwiegend älterer Herren vorbei. Die tun das, was Franzosen am liebsten tun: Boule spielen. - Kinder planschen.
Es ist an der Zeit mal ein Loblied auf die Wegmarken in Frankreich anzustimmen. Erstens ist der Jakobsweg ausreichend mit richtungscodierten Jakobsmuscheln und dem Zeichen des GR 65 (weisser und roter Streifen übereinander) markiert. Zweitens ist fast jeder Irrweg, jeder falsche Abzweig drch ein rot-weisses Kreuz bzw. eine durchgekreuzte Muschel markiert. Letzteres hilft sehr, da es den Wanderer vor dem falschen Weg warnt, ihm aber auch signalisiert, im Prinzip bist Du noch richtig.
Heute ist's nur eine kurze Etappe geworden. Zu viel gebloggt.
Saint-Jeures liegt auf 1040 m Höhe. Da ist's frisch, sobald die Sonne hinter dem letzten Hügel verschwunden ist.
Die Nacht verbringe ich im Gite d'etape, das in der Dorfmitte liegt. Ich bin der einzige Gast. Kurz angebunden führt mich die Wirten durchs Haus. Abendessen, Frühstück, Fehlanzeige. Zum Glück habe ich noch genug Proviant im Rucksack. Die Dorfbar hat bis halb Acht geöffnet, das reicht für zwei Bier.
Zum Abendessen setze ich mich an den Sockel des Gefallenendenkmals in der Ortsmitte. Hier bekomme ich noch einige Minuten lang Sonne ab.
30 Minuten noch, dann wird sie hinter dem Dach des Bauernhauses verschwunden sein. - Völkerverständigung: da sitzt ein Deutscher (aus Nürnberg!) am Denkmal, das der Gefallenen von 1944 gedenkt. Gefallen im Kampf gegen die Väter dieses Deutschen ... der hier Baguette und Käse verspeist. Der Platz ist wie ausgestorben, die wenigen Vorbeikommenden nehmen von dem Fremden keine Notiz.
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2 Kommentare:
Hi Pedro,
Himbeerplantage, hmhhh...sehr lecker. Ich liebe Himbeeren. 1000km bist Du schon gelaufen - toll!
Morgen, am Samstag, fahre ich mit Clara und Leo eine Woche nach Österreich; nach St. Johann im Pongau. Wir freuen uns alle drei! Und: sicher werden wir auch die eine oder andere (kleine) Wanderung machen. Ich wünsche Dir weiterhin einen tollen Weg! Spätestens wenn ich wieder zuhause bin, melde ich mich wieder.
Mach`s gut - bis bald,
Herzlichen Gruß
Uwe
Hallo Peter,
freut mich zu lesen, dass es Dir gut geht. Ich wünsche Dir viel Kraft auf Deinem sehr mutigen Weg.
Halt uns weiterhin auf dem Laufenden :-)
Maria
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