"... ick heeb fürchterlich geschlofen, weeste, es üscht 'n ewiges Kramen, wollte disch mit dem Handy anrufen, doch det find ick nüscht, ist in irschend einem Säckchen im Rucksack vergraben, ..." Ich löffle meinen Joghurt und schmunzle in mich hinein.
Um Acht geht´s los. Nach 5 km ist Burguete erreicht. Dort hole ich auch die beiden Martinas ein. Zusammen gehen wir zum Bäcker, wo wir einen Kaffee trinken. In der Bäckerei erklingt "Pedro Navaja" von Ruben Blades aus den Lautsprechern. Ich kippe fast aus den Latschen. Diese uralte Salsa, die ich seit Tagen immer wieder im Ohr habe, begrüsst mich hier in einer Provinzbäckerei. Unglaublich! Matthias ist inzwischen auch eingetroffen, gesellt sich zu uns. Zu viert geht es weiter. Martina II (die Frau von der Post), gleicher Jahrgang wie ich, ist bereits Oma. Respekt! Berichtet von Problemen in ihrem Nebenjob, weil der Chef nach 15 Jahren den Dienstplan ändert, die Abende, an denen sie arbeiten muss. Wie kann er das nur tun, etc. Den Zahn mit dem Jammern ziehe ich ihr gleich: "Nicht warten, bis die anderen das tun, was man gerne möchte, es ist Deine Verantwortung zu handeln usw. ... ". Martina wurde als eine der 300 beliebtesten ZustellerInnen nach Berlin eingeladen und erzählt, dass sie im Alltag immer wieder mal eine kleine Aufmerksamkeit zugesteckt bekommt. Allein, die "Reichen" würden sich i.A. zurückhalten, wobei sie auch die Beobachtung gemacht habe, dass viele gar nicht auf die Idee kämen ...
Nach etwa zwei Stunden ziehe ich mein Tempo an und setze mich von den anderen ab. Will voran kommen. Keine Ahnung, ob ich sie jemals wieder sehen werde. Die beiden Martinas sind es übrigens, die Matthias den Beinamen "Björn Borg" gegeben haben (wegen seiner langen blonden Haare). Matthias, der Mann aus dem Ruhrpott, den man an seiner breiten und kräftigen Aussprache nicht überhören kann. Irgendwie ahnt man auch, welchen Job er ausübt. Matthias ist Bewährungshelfer. Viele seiner Sätze enden mit einem breiten, zum Wortende hin eine Oktave höher gezogenen "..., oder?". Ich sehe ihn förmlich vor seinem Klienten sitzen und höre ihn sagen: "Du willst doch wieder ein normales Leben führen, ODER?". Matthias ist versessen auf Lesestoff, auf Nachrichten aus seiner Heimat, insbesondere auf Sportnachrichten. Glücklich beseelt ist er heute Morgen, als ihm in der Küche eine Bildzeitung in die Hände fällt. Immerhin erfahre ich auf diese Weise, dass Kurt Beck zurückgetreten ist. Ich sag's Euch, man kann so gut auch ohne die neuesten Neuigkeiten, ohne Nachrichten durch's Leben gehen, ohne Olympia, Tagespolitik, Börsenberichte und ganz besonders ohne Katastrophen. Das wird jetzt in Spanien allerdings etwas schwieriger, weil in jeder Kneipe ein Fernseher steht und läuft. Neulich habe ich die Beobachtung gemacht, dass die Melodie der Fernsehnachrichten immer die gleiche ist, so klang es vor einem Jahr, so klang es gestern und so wird es morgen klingen. Nur die Inhalte sind andere. Inbegriff der Austauschbarkeit.
Zurück zu Matthias. Seine Maschine läuft anders als meine. Während er nahezu ständig Sprit nachführen muss (Kekse, Schokolade, Nüsse) - wie bei einem Fleischwolf, der ständig bestückt werden muss, reicht meiner Maschine eine Tankfüllung je - na sagen wir - 3 Stunden. Dann brummt der Motor wieder. Liegt wohl an der Tankgrösse.
Im kleinen Ort Viscarret machen viele Brotzeit. Die Bars quellen über. Ich gehe weiter bis zum Pass von Erro.
Hier richte ich mich an einem Baum gemütlich ein und vertilge eine ganze Packung Räucherlachs und Brot (eine Tankfüllung).
Nach gut 30 Minuten setze ich meine Wanderung fort. Der Lachs liegt mir doch etwas schwer im Bauch. Ein Gedenkstein erinnert an einen 62-jährigen Pilger aus Japan, der 2002 hier ums Leben kam. Nach 22,8 km ist Zubiri erreicht. Die Strecke führte durch Pinienwald über sehr steinige Wege.
Seit meiner Pause fühle ich mich schwach und müde. Schütte in Zubiri einen halben Liter Cola in mich hinein, das hilft - ein wenig. Als ich in Zubiri die falsche Richtung einschlage, pfeift mich ein kleiner Baske zurück. ¡Gracias!
Die nächsten 6 km entlang einer Magnesitfabrik gehören nicht zu den Highlights des Tages.
Meine Müdigkeit will nicht weichen. Viel fehlt nicht, und ich schlafe im Gehen ein. Es hilft nichts, in Larrasoaña muss ich pausieren. Ich lege mich neben der Kirche in eine Art Mauernische und halte für eine Stunde Siesta. Danach geht es mir besser. Gegen Vier setze ich den Weg gen Pamplona fort, obwohl es sehr nach Regen aussieht. No risk, no fun, denke ich mir. Ich will heute vorankommen. Auf dem letzten Kilometer nach Huerta liegt der Regenschirm auf dem Weg, von dem schon die Rede war. Ich nehme ihn mit.
Das Refugio in Huerta wird an diesem Abend vom geduldigen Iñigo und dessen Freundin Itziar geleitet.
Er registriert Bernard aus Belgien (der Mann mit der Pulka) und mich, führt uns herum, zeigt uns unser Zimmer. Super Herberge, kaum belegt, ein Traum für 6 Euro. Beim Pilgermenü in der Bar um die Ecke lerne ich Ursula und James (sie aus der Schweiz, er aus England) und Jose-Jaime aus Kanada(!) kennen.
Netter Abend, gute Gespräche, Essen ok, lustiger Kellner, etwa 18, schlaksig, dunkle Hautfarbe, knallgelbes T-Shirt, der etwas neben der Spur und nicht glücklich über den Umstand ist, dass er für seine Mutter arbeiten muss. Kurz vor 10 müssen wir uns sputen, sonst macht die Herberge zu und wir müssen draussen bleiben. Das wäre schlecht. Es ist regnerisch und kalt. ¿Que pasa España? Falta el calor. - Buenas noches compañeros.
2 Kommentare:
Hola, Peter!
Que tal? Gracias por ti reportaje! Muy bien! No hablo espanol solo un poco! Y tu,Peregrino aleman?
Schade, "L'esprit du chemin" ist wirklich eine kleine Oase, aber es gibt ja noch die ein oder andere sehr nette und wunderbare Herberge... wie die in San Nicolas der Puente Fitero (nur 12 Betten, nach Castrojeriz) oder La Faba kurz vor der galizischen Grenze (deutsche Hospitaleros/kleine aber feine Kirche)
Und Huarte, es wundert mich nicht so wirklich, dass wenig Pilger da waren. Bist Du nicht über Trinidad de Arre gegangen?
Hoffentlich trinkst ja auch mal ein Gläschen leckeren spanischen Rotwein auch auf uns "Daheimgebliebenen"
Buen camino!
Thea
Ich tröste mich derweil mit all den Fotos..
Servus Peter!
Du legst ja ein Tempo vor...:-)
Bist praktisch schon auf der Zielgeraden! Sehr gut....
Achte auf dich und werde zum Ende hin nicht zu übermütig...:-)
Lieben Gruß
Uwe
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