Es ist schon lustig. Manchmal ist es unmöglich, einen Weg ins Internet zu finden und dann gibt es wieder so was wie hier: ich lasse mich in der "bar du centre" nieder, um endlich zu frühstücken (die ersten 13,5 km heute Morgen habe ich mit Loch im Bauch zurückgelegt, pas de probleme) und da steht doch glatt, völlig unscheinbar, so 'ne Kiste in der Ecke. An der sitze ich jetzt. - Vor zwei Tagen habe ich sie zum ersten mal erblickt, die Pyrenäen. Ein geiles Gefühl, nach über 8 Wochen diesen Gebirgszug zu sehen. Ich geb's zu, ich hatte Tränen in den Augen.
Ich habe ein kleines Problem. Meine Schuhe gehen aus dem Leim. Der rechte Schuh hat an der Innenseite, dort wo das Leder an der Sohle befestigt ist, einen 4 cm langen Riss. Was tun? In Aire war ich im Sportgeschäft. Dort hatten sie genau ein Modell in meiner Grösse zur Auswahl. Das hab' ich dann gar nicht erst anprobiert (auch wegen der Geruchsbelästigung). Bin die letzten Tage (trotz Regen!) einfach mit den Schuhen weitergelaufen. Ging ohne grössere Probleme. Werd' versuchen in Spanien einen Schuster herauszufordern. Mal sehen, ob das klappt. Viel Hoffnung mache ich mir nicht. Andererseits habe ich echt keine Lust auf neue Schuhe und dann eventuell die ersten Blasen, wie bei all den anderen, die in Saint-Jaen-Pied-de-Port starten werden. Keep you informed.
Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, in Saint-Antoinne.
Los geht's mit a bisserl Jammern. Die Nacht im Schlafsaal war grauenvoll. Zum Schnarchen hat sich diesmal auch noch die stickig-stinkig schwühle Luft gesellt. Abhaken und vergessen. Bärbel hat's richtig gemacht. Im Freien schläft man oft besser. Wenigstens das Frühstück ist gut (Müsli, Nutella!). Unterhalte mich kurz mit dem Ehepaar aus Biberach, das schon gestern Abend im Restaurant sass. Echt nett die beiden, allerdings in einer anderen Tempoklasse unterwegs. Werd' sie bestimmt nie wieder sehen. Erinnerungsfoto.
In Flamarens, keine 5 km entfernt, schönes Chateau, fängt mich Bärbel ab. Bin an dem Haus eigentlich schon vorbei, als sie mir nachruft. Daniel, ca. Anfang 60, hatte sie zu sich in die Stube auf einen Kaffee eingeladen. Jetzt sitzen wir zu dritt vor unserem Kaffee. Daniel malt. Das Wohnzimmer hängt voller Bilder. Ein Sammelsurium verschiedener Stile, abstrakt, realistisch, a bisserl Chagall, a bisserl Picasso, a bisserl Kandinski. Die Ölbilder stammen von ihm, die Aquarelle habe ein Freund gemalt. Malen sei für ihn wie eine Droge, aber keinesfalls eine Leidenschaft. Die sei nämlich gefährlich. Leidenschaft in der Liebe, in der Malerei - no pas! Wäre interessant gewesen, das zu vertiefen, allein, dazu reicht unser Französisch nicht. Und nach Kommunikation via Wörterbuch steht mir der Sinn nicht. Dann doch lieber weiter, der Weg ruft. Aurevoir Daniel, nette Begegnung.
Wir ziehen weiter nach Miradoux. Unterwegs Sonnenblumenfelder (Bärbel amüsiert, dass ich nicht genug Fotos von den Sonnenblumen schiessen kann, mich irgendwie auch),
Bohnenplantagen und ein Rüde (schwarzglänzendes Fell, weisse Tupfer und eine Schnauze, die einem Bange macht), der nicht von unserer Seite weichen will. Da hilft alles Schimpfen und Deuten nicht. Auch der Stein, den ich in Ermangelung eines Schlüsselbundes neben ihn schmeisse, hilft nicht. Im Gegenteil, das versteht der Hund als Aufforderung zum Spielen. Ha, ha ... Bald geht er in die devote Handlung, bald legt er sich auf den Rücken: "Kraul mich" heisst das wohl. Ha, ha, ... Keine Ahung wie, doch nach einer guten halben Stunde verzieht sich der Hund dann doch (vermutlich um mit den nächsten Pilgern das gleiche Spiel zu treiben). Irgendwie war es ja auch schön mit "Pantier" (französisch aussprechen!), so habe ich ihn seines schönen Fells wegen getauft.
Nach 24,5 km erreichen wir "Lectoure". Hier wollen wir uns trennen. Abschiedsbier in einer Bar mit Wirtin, Katze (auf dem Tisch) und Hund (unter dem Tisch). Letzterer sieht aus wie ein Löwe von Steiff, so statisch lümmelt er da.
Abschied, Bärbel geht zum Einkaufen in den Supermarkt (was Frauen halt so machen) und ich gehe in die Turiinfo zum Bloggen (was Herren halt so machen). Eine Stunde später, ich sitze immer noch vor dem Rechner, klopft mir Bärbel auf die Schulter: "Des wos isch ängekooft hobä, würde ooch für zwö Pärsönän räischen". Na diese Einladung auf eine Linsensuppe, lasse ich mir nicht entgehen. So ziehen wir also doch wieder zusammen weiter. Wie sagt ein schottisches Sprichwort (habe ich vorhin in der Kirche von Méritein gelesen): "Nichts macht den Weg kürzer, als gute Gesellschaft."
Da die Gite in Marsolan ausgebucht ist, wird's heute eine Nacht im Freien. Am "Croix de la Justize", 2 km vor Marsolan, nettes Picknickplätzchen an dieser Weggabelung der Gerechten, lassen wir uns nieder. Während Bärbel die Linsensuppe zubereitet, geht Peter mit zwei leeren Wasserflaschen in der Hand Wasser jagen. Am Ortseingang von Marsolan endlich das erste, belebt wirkende Anwesen. Eine Frau in den 50igern, bereits im Nachthemd (um halb Neun!), macht mir die Flaschen voll. Merci beaucoup.
Linsensuppe und Käsebrot zum fantastischen Sonnenuntergang, von Schlafsack zu Schlafsack quatschend, schlummern wir ein. Petrus meint es gut mit uns. Es bleibt trocken.
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